Une France qui gagne dans un monde qui bouge



Rede bei der Université d’été du MEDEF 2014. Der Minister hielt die Rede auf Französisch.

„Erlauben Sie mir als deutscher Nachbar, Partner und Freund zum Abschluss dieser Université d’été Ihre Diskussion ein wenig zu erweitern: Sie haben in den letzten beiden Tagen nicht nur darüber nachgedacht, wie Frankreich in dieser sich schnell und stark verändernden Welt weiterhin zu den Gewinnern zählen kann. Es geht eigentlich um mehr, nämlich um die Frage: Wie kann dies Europa insgesamt gelingen?

Wir haben in der Krise der letzten Jahre sehr deutlich gespürt, wie sehr wir in Europa voneinander abhängen. Eine unzureichende Politik in einem Land hat ganz konkrete wirtschaftliche Folgen für alle anderen.

Umgekehrt bedeutet dies auch, dass Europa als Ganzes von einer klugen und Vertrauen schaffenden Politik eines Landes profitiert. Dies gilt natürlich umso mehr, wenn es sich dabei um ein großes und bedeutendes Land wie Frankreich handelt.

Wir brauchen in Europa ein starkes Frankreich. Europa ist nur dann stark, wenn auch Frankreich stark ist. Frankreich sieht sich großen wirtschaftspolitischen und haushaltspolitischen Herausforderungen gegenüber. Frankreich ringt in diesen Monaten vor allem um den richtigen Weg zu mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätzen. Ich begrüße und unterstütze den „Pakt für Verantwortung“ der französischen Regierung. Er wird Frankreich und damit auch Europa stärken.

Mein Kollege Michel Sapin und ich sind uns einig, dass wir ein dauerhaftes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum nicht mit anhaltend hohen Defiziten erreichen, sondern nur mit einer soliden Finanzpolitik, die von Strukturreformen und gezielten Investitionen begleitet wird. Wir brauchen Reformen, keine „Obsessionen“, sondern klare Konzepte!

Der französische „Pakt für Verantwortung“ sieht eine Kombination aus Ausgabensenkungen und Steuer- und Abgabenerleichterungen vor. Dies ist der richtige Weg, um ein Klima des Vertrauens zu schaffen, das Investoren und Konsumenten zu mehr Investitionen und Konsum anregt.

Ich will das betonen: Volkswirtschaftlich wirkungsvoller als jeder staatliche Ausgabenschwerpunkt ist die Mobilisierung privater Investitionen. Und die Sanierung des Haushalts, die Verringerung von Schulden: Das ist geradezu ein Förderprogramm für private Investitionen! Solide Staatshaushalte und verlässliche Rahmenbedingungen fördern die private Investitionsbereitschaft, weil sie das Vertrauen in die zukünftige Stabilität unserer Volkswirtschaften stärken. Ohne dieses Vertrauen kann es kein dauerhaftes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum geben.

Vertrauen kann aber nur entstehen, wenn man Zugesagtes auch umsetzt. Das gilt vor allem für bereits beschlossene Strukturreformen. Werden sie entschlossen umgesetzt, steigt das Vertrauen.

Strukturreformen, vor allem auf den Arbeitsmärkten, sind unbedingt erforderlich, um der Wirtschaft neuen und anhaltenden Schwung zu verleihen. Umso mehr begrüße ich, dass sich die Reformdebatte in Frankreich nun auch verstärkt den Arbeitsmärkten widmet. Um Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten erfolgreich umzusetzen, ist eine Kultur des Miteinanders von Arbeitgebern und Arbeitnehmern notwendig. Beide Seiten tragen gemeinsam Verantwortung. Sie sitzen letztlich im selben Boot. Je stärker sich diese Erkenntnis durchsetzt, umso stärker können Strukturreformen umgesetzt werden.

Auch diese Erfahrung haben wir in Deutschland gemacht. Und das ist übrigens auch einer der Gründe, warum wir in Deutschland relativ gut durch die Krise gekommen sind. Nicht immer war das einfach. Es hat uns Anstrengungen und Opfer abverlangt. Wir haben Ähnliches bereits Anfang der neunziger Jahre bei den teilweise sehr schmerzhaften Transformationsprozessen in Ostdeutschland und überall in Osteuropa erlebt. Schon damals haben konsequent durchgeführte Strukturreformen langfristig für nachhaltiges Wachstum und neue Arbeitsplätze gesorgt.

Es ist deswegen wichtig, dass jetzt auch in Frankreich die Sozialpartner beim „Pakt für Verantwortung“ mitziehen, vor allem auch die Gewerkschaften. Den französischen Arbeitgebern will ich sagen, dass die deutschen Arbeitgeber unsere Reformen des vergangenen Jahrzehnts immer unterstützt haben, auch wenn sie ihnen meist noch nicht weit genug gingen. Tun Sie das bitte auch!

Um all das ringen Sie in Frankreich. Gerade auch in dieser wichtigen Zeit der „rentrée“. Bleiben Sie guten Mutes und vor allem mutig! Ich habe keinen Zweifel, dass Frankreich einen wirtschaftspolitisch und haushaltspolitisch erfolgreichen Kurs einschlagen wird, der geeignet ist, Frankreich zu neuer Stärke zu führen und damit Europa voranzubringen. Das gilt natürlich auch für die neue Regierung, mit der Deutschland gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten wird.

Mit meinem alten und neuen Kollegen Michel Sapin habe ich eine gute Zusammenarbeit. Er ist Garant für eine solide Finanzpolitik, die die Handlungsfähigkeit des Staates sichert. Ich versichere ihm, dass wir auch in dieser nicht leichten Zeit für die französische Finanzpolitik enge Partner sind. Dass wir unsere Politik eng miteinander abstimmen. Dass wir gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten.

Es ist gut für Europa, wenn Frankreich und Deutschland sich einig sind. Wir können Europa nur voranbringen, wenn unsere beiden Länder gemeinsam vorangehen und zu gemeinsamen Lösungen kommen. Es geht uns aber nicht darum, Anderen eine Lösung aufzudrängen. Vielmehr müssen wir Vorschläge machen, die es allen Europäern ermöglichen, voranzukommen.

Wir müssen in Europa gemeinsam an unserer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Das gilt für Frankreich, für Deutschland und jedes weitere Land in Europa. Die Krisen der letzten Jahre haben zu massiven Wachstumseinbrüchen geführt. Dadurch hat die europäische Wirtschaft in den vergangenen sechs Jahren insgesamt stagniert – trotz der jüngsten Erholung. Andere sind in derselben Zeit rasant gewachsen. Und der Anteil Europas an den weltweiten Patentanmeldungen ist im vergangenen Jahrzehnt fast um die Hälfte gesunken.

Aber wir sollten uns nichts vormachen: Die Herausforderungen, vor denen Europa steht, sind nicht in erster Linie Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Sie hat lediglich unsere ohnehin schon bestehenden Probleme in Europa schonungslos aufgedeckt.

Wir müssen uns noch viel stärker als bisher den Herausforderungen der Globalisierung stellen. Dazu zählt vor allem das immer größere internationale Angebot an relativ niedrig entlohnten und zugleich qualifizierten Arbeitskräften beispielsweise in Asien – und damit verbunden das immer selbstbewusstere Auftreten neuer, auch politisch starker Wirtschaftsmächte.

Deswegen haben wir jetzt in Europa zwei wesentliche Aufgaben: Erstens, die Bedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa zu schaffen. Nur so werden wir wirtschaftlich stark und relevant bleiben. Nur so werden wir uns weiterhin unser hohes Wohlfahrtsniveau leisten können.

Und zweitens Europa handlungsfähiger zu machen, indem wir die europäischen Institutionen weiter stärken. Denn wirtschaftliche Stärke muss mit politischer Handlungsfähigkeit einhergehen, wollen wir unser globales Gewicht und entsprechenden Gestaltungsspielraum behalten.

Für mehr Wachstum und Beschäftigung brauchen wir eine europäische Wachstumsstrategie. Sie muss die Marktkräfte und private Investitionen stärken. Dazu müssen wir auf mehreren Feldern Fortschritte erzielen:

Erstens die konsequente Umsetzung von Strukturreformen. Der Staat kann nachhaltiges Wachstum nicht direkt schaffen, wohl aber die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen dafür. Dazu gehören funktionsfähige Institutionen wie eine Gewährleistung von Eigentumsrechten und Rechtssicherheit. Wir müssen uns insbesondere fragen, ob unsere Verwaltungsstrukturen Potenzial für höhere Effizienz und damit auch Einsparungen bergen.

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern Europas ist inakzeptabel. Sie würde auf Dauer auch dazu führen, dass wir die politische Unterstützung der jüngeren Generation für Europa verlieren.

Wir müssen vor allem die strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit angehen. Wir brauchen in Europa Ausbildungssysteme, die sich stärker am Bedarf der Arbeitsmärkte ausrichten. Und wir brauchen mehr Flexibilität bei der Lohnsetzung. Sie muss auch die Produktivität stärker berücksichtigen.

Wir müssen auch über Reformen unserer Sozialversicherungssysteme nachdenken. Und wir müssen uns fragen, wie wir den Faktor Arbeit weniger stark mit Steuern und Abgaben belasten können.

Zweitens müssen wir das Vertrauen der Bürger und Investoren in solide Staatsfinanzen weiter stärken. Solide Staatsfinanzen sind die Grundlage von Beschäftigung und Wachstum in Europa. Genau mit diesem Ziel haben wir nach dem Ausbruch der Krise die europäischen Fiskalregeln verschärft. Nun müssen wir diese Regeln konsequent anwenden:

Jedes Euroland muss seinen Staatshaushalt so finanzieren, dass er zur Stabilisierung der Eurozone beiträgt. Mit einem Schuldenstand der Eurozone von fast 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ist das nicht gegeben.
Solange die Haushalte nicht ausgeglichen sind, müssen strukturelle Defizite zügig zurückgeführt werden. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts muss entsprechend höher sein als das Wachstum der öffentlichen Ausgaben. Damit verringern wir die Schuldenquoten in Europa. So gewinnen wir Spielraum auch für staatliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung zurück.

Aber dafür brauchen wir ambitionierte Reformen, die nicht nur angekündigt, sondern auch umgesetzt werden, und eine bessere Priorisierung der Staatsausgaben. Dazu reicht schon ein Blick nach Asien: Dort sehen wir, dass Staaten im Vergleich zu uns mit der Hälfte der Staatsausgaben relativ zur Wirtschaftsleistung auskommen. Und das sind oft hochdynamische Länder mit guter Infrastruktur.

An konsequenten Reformen führt deswegen kein Weg vorbei. Wir sollten auch nicht die Geldpolitik als Ersatz für notwendige Reformen verstehen. Geldpolitik kann allenfalls Zeit kaufen, aber diese muss dann auch wirklich genutzt werden, um Reformen für mehr Wachstum umzusetzen.

Ebenso wenig sollten wir versuchen, unsere Wettbewerbsfähigkeit über eine Abwertung unserer Währung verbessern zu wollen. Wechselkursmanipulationen haben noch nie zu nachhaltigem Wachstum geführt. Wer auf den Wechselkurs Einfluss nimmt, werkelt lediglich an den Symptomen der eigentlichen Probleme, packt sie aber nicht an ihren Wurzeln.

Daher sollte auch klar sein, dass Debatten über eine unbeschränkte Flexibilisierung des Stabilitäts- und Wachstumspakets uns nicht weiterbringen. Nach den schlechten Erfahrungen, die wir vor zehn Jahren mit der Aufweichung des Paktes gemacht haben, sollten wir denselben Fehler nicht wiederholen. Alleine schon die Debatte über Lockerungen und Aufweichungen ist hoch gefährlich. Wir können damit leichtfertig jegliches Vertrauen in die Reformpolitik in Europa verspielen.

Wenn Europa in der immer stärker globalisierten Welt relevant bleiben will, müssen wir drittens unsere hohe Innovationsfähigkeit behalten. Daher sind Investitionen in Forschung und Entwicklung wichtig. Die deutsche Bundesregierung legt großen Wert darauf, die Zielmarke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu halten. An dieser Marke sollten wir uns alle in Europa orientieren. Auch Frankreich kann hier noch mehr tun – gerade auch im Vergleich mit den USA oder Japan.

Da stehen nicht zuletzt die Unternehmen in der Verantwortung: Wir dürfen uns nicht allein auf staatliche Investitionen verlassen, sondern müssen darüber hinaus die viel stärkere Hebelwirkung privater Investitionen nutzen. Sie sind die Basis von Wachstum und Wohlstand.

Die Verkehrsinfrastruktur, Informations- und Kommunikationstechnologien oder Energienetze sind etwa Bereiche, in denen private Investitionen für mehr Wachstum sorgen können. Sie sind eine wichtige Voraussetzung für neue Wirtschaftszweige und Wertschöpfungsketten.

Wir sollten unsere nationalen Investitionen und die EU-Kohäsionspolitik konsequent auf eine vernetzbare, effiziente und nachhaltige Infrastruktur ausrichten. Insbesondere hier müssen wir privates Kapital ergänzend zu staatlichen Investitionen sinnvoll mobilisieren. Dadurch könnten kostspielige Investitionen im Infrastrukturbereich getätigt werden, ohne die öffentlichen Finanzen über Gebühr zu belasten. Neue Mischformen zwischen staatlichen und privaten Mitteln, zum Beispiel in Form von Public-Private-Partnerships, könnten hier eine Lösung sein.

Für mehr Wachstum und Arbeitsplätze müssen wir viertens den europäischen Binnenmarkt weiter vertiefen. Da ist noch viel Potenzial für die Steigerung des Wirtschaftswachstums, etwa durch eine stärkere Öffnung auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten. Auch federt dies wirtschaftliche Schocks effizienter ab, als es staatliche Transfermechanismen könnten.

Fünftens müssen wir das Finanzierungsumfeld unserer Wirtschaft verbessern. Wir müssen die Finanzmärkte so regulieren, dass sie sich wieder auf ihre Kernfunktion, der Finanzierung der Realwirtschaft, konzentrieren.

Mit der europäischen Bankenunion haben wir bereits einen wichtigen Schritt zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Bankensektor getan. Jetzt müssen wir vor allem die Finanzierungsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen verbessern. Deswegen wollen wir hier die Rahmenbedingungen für zusätzliche Finanzierungsquellen schaffen. Insbesondere der Bereich der Wagniskapitalfinanzierung für innovative Start-up-Unternehmen ist ausbaufähig.

Sechstens führt uns nicht zuletzt die Ukraine-Krise noch einmal deutlich vor Augen,
dass wir in Europa eine Energieunion brauchen. Wir müssen unsere nationalen Energienetze verbinden zu einem intelligenten europäischen Netz, das Energieproduktion und -verbrauch zusammenbringt. Und wir brauchen eine europäische Strategie für den Umstieg auf nachhaltige Energien. Europa muss seine Abhängigkeit von Importen und schwindenden Ressourcen reduzieren.

Siebtens sollten wir uns das Ziel einer digitalen Union setzen: mit einer europäischen Netzwerk-Infrastruktur und mit guten Bedingungen für europäische Player im Hardware- und Software-Bereich. Da werden wir auch in der Regulierung in Europa noch eine Reihe von Voraussetzungen schaffen müssen.

Sowohl die Energie- als auch die Digitalunion sind übrigens Bereiche, in denen Frankreich und Deutschland durch eine engere Zusammenarbeit ihre Potenziale stärker bündeln und damit in Europa vorangehen könnten.

Wir sind in Europa bereits auf einem guten Weg. Aber wir müssen jetzt verlässlich handeln. Wir müssen konsequent umsetzen, was wir ankündigen. Wäre Bill Clinton ein Europäer, würde er heute sagen: „It’s the implementation, stupid!“ Wir werden in Europa nicht dauerhaft erfolgreich sein, wenn wir die Verantwortung für nicht erbrachte Reformen immer bei den anderen suchen.

Bei all diesen Reformen geht es darum, Europa für die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts zu rüsten. Dabei geht es aber nicht nur um wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Es geht darum, den Erfolg unseres europäischen Lebensmodells im globalen Systemwettbewerb auch künftig zu beweisen.

Unser Modell steht für eine erfolgreiche Verbindung eines leistungsfähigen Wirtschaftssystems mit Demokratie, Menschenrechten, „rule of law“, sozialer Stabilität und ökologischer Nachhaltigkeit.

Gerade hier in Frankreich kann man zu Recht mit Stolz darauf verweisen, dass die Werte der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die ihren Ursprung nicht zuletzt in der Französischen Revolution haben, in unseren europäischen Gesellschaften lebendig sind und unser Europa stark machen.

Wenn es uns gelingt, dieses europäische Modell durch dauerhafte wirtschaftliche Stärke zu untermauern, dann können wir weltweit neue Ordnungen mitgestalten, die von europäischen Werten geprägt sind. Dann werden wir gemeinsam auch künftig in einer Welt leben können, die unseren eigenen Ansprüchen gerecht wird. Hierfür lohnt es sich, gemeinsam voranzugehen und gemeinsam zu arbeiten – mit einem starken Frankreich und einem starken Deutschland für ein starkes Europa.“