Schäuble bietet Holocaust-Leugnern die Stirn



Interview mit Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble in der Tageszeitung „Die Welt“

WELT: Herr Minister, Sie haben heute zwei rechtsextreme Organisationen verboten. Welche Gefahr ging von den beiden Rentnerclubs „Collegium Humanum“ aus Vlotho und dem „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV) aus?

Wolfgang Schäuble: Es handelt sich um zwei Vereine organisierter Holocaust-Leugner. Die Vereinstätigkeit besteht in nationalsozialistischer Propaganda und der Verherrlichung des Dritten Reichs. Es mag ja sein, dass die Gefahr so groß nicht ist, weil es sich ? wie Sie sagen ? um Rentner handelt. Aber das ändert ja nichts daran, dass solche Vereine nach der geltenden Gesetzeslage zwingend verboten werden müssen. Der Neonazismus hat viele Gesichter. Es gibt junge Menschen, die nationalsozialistische Thesen vertreten. Es gibt aber eben auch Alte, die das tun. Und es wird nicht dadurch besser, dass sie alt sind. Wir werden geistige Brandstifter mit aller Entschiedenheit und mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen.

WELT: Ist die rechtsextreme Gefahr im vergangenen Jahr gewachsen?

Schäuble: Nein. Es gilt nur: Wann immer die rechtlichen Möglichkeiten gegeben sind, einen solchen Verein zu verbieten, handeln die zuständigen Behörden. Das haben sie soeben getan. Der Hamburger Polizei zufolge haben sich an den dortigen Krawallen zum 1. Mai erstmals Neonazis, die sich „autonome Nationalisten“ nennen, beteiligt.

WELT: Ein neuer Trend in der rechtsextremen Szene?

Schäuble: Es gibt seit geraumer Zeit Erkenntnisse darüber, dass links- und rechtsextreme Gewalttäter einander hochschaukeln. Es gibt gute und zwingende historische Gründe dafür, dass der Rechtsextremismus in Deutschland als ganz besonders abscheulich gilt ? was linksextreme Gewalt freilich keinen Deut besser macht. Das Abscheuliche daran ist übrigens, dass Links- wie Rechtsextreme ganz bewusst in Kauf nehmen, dass sie einander hochschaukeln. So war es am Ende der Weimarer Republik ja auch, wo sich die extreme Linke und die extreme Rechte in der Ablehnung der Demokratie ganz einig waren und manchmal sogar gemeinsam die Republik bekämpften.

WELT: Was in Hamburg geschah, ist für die Bundesrepublik aber ein Novum.

Schäuble: Sollte es so sein, dass in Hamburg Rechtsextreme und Linksextreme wirklich gemeinsam gegen die Polizei vorgingen, dann wäre das sehr beunruhigend. Aber wundern tut es mich nicht – bedenken Sie nur die Entwicklung, die ein gewisser Horst Mahler vom extremen Linken zum rechtsradikalen Holocaustleugner genommen hat. Verrückt, aber wahr. Und leider stimmt auch, dass es oft die linken Gegendemonstranten sind, die rechtsextremen Zusammenkünften erst Aufmerksamkeit verschaffen. Vor Jahren gab es Anzeichen dafür, dass es in Deutschland Kontakte zwischen Rechtsextremen und hiesigen Anhängern der Hisbollah gibt.

WELT: Gibt es diese Kontakte noch immer?

Schäuble: Versuche dazu gibt es nach wie vor. Sie werden von den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern aufmerksam verfolgt.

Von Thomas Schmid