„Nicht an dieser Säule rütteln“



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus

Focus: Das kürzlich verabschiedete Dienstrechtsneuordnungsgesetz soll den Wechsel zwischen Beamtenlaufbahn und anderen Berufen erleichtern. Sind die neuen Regeln genauso schwerfällig wie der Titel des Gesetzes?

Dr. Schäuble: Ich bin kein Anhänger des Prinzips „je mehr Veränderung, desto besser“. Es kommt darauf an, dass Veränderungen sachgerecht begründet sind, um öffentliche Verwaltung und ihr Dienstrecht auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten.

Focus: Besonders welche?

Dr. Schäuble: Die demografische Entwicklung verschärft den Wettbewerb von öffentlichen und privaten Arbeitgebern um qualifizierte Mitarbeiter. Informationstechnische Berufe sind nur ein Beispiel dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Staatsdienstes nicht nachlassen darf.

Focus: Also Seiteneinsteiger anlocken, Beamtenrecht lockern. Öffnet das Gesetz die Tür weit genug?

Dr. Schäuble: Wir haben mit der Öffnung der Laufbahnen viel Beweglichkeit gewonnen. Seiteneinsteiger müssen nicht mehr ganz unten anfangen. Wir können jetzt Einstufungs- und Besoldungsanreize bieten, die uns die Chance geben, sie zu gewinnen. Allerdings bleiben die Spielräume in einem für uns vertretbaren Rahmen. Um es salopp zu sagen: Mit Bundesligavereinen kann der Arbeitgeber Staat, der den Steuerzahlern verantwortlich ist, nicht mithalten. Im Zeichen der Banken- und Wirtschaftskrise fällt nun aber auch die Verlässlichkeit des Arbeitsplatzes bei der Berufswahl wieder stärker ins Gewicht.

Focus: Für „leistungsfördernde Elemente“ sind künftig 0,3 Prozent der Besoldungssumme vorgesehen. Das soll reichen, vom starren System – Beförderung gleich Mehrverdienst – loszukommen?

Dr. Schäuble: Wer Herausragendes leistet, kann und soll prämiert werden. Dafür sind die jetzt festgelegten rund 30 Millionen Euro ein Einstieg, der schrittweise ausgebaut werden muss.

Focus: Staatsdiener, die in die Wirtschaft wecsheln oder ins Ausland gehen möchten, wünschen sich, dass ihnen der erreichte Status in der Beamtenversorgung erhalten bleibt. Lassen Sie darüber mit sich reden?

Dr. Schäuble: Mit mir kann man über alles reden – zumal die Regierung den Auftrag hat, dem Bundestag in diesen offenen Fragen zu berichten. Man muss bei der so genannten Mitnahmen von Versorgungsansprüchen allerdings immer im Auge behalten, dass das Dienstverhältnis der Beamten grundsätzlich auf Lebenszeit angelegt ist. Von finanzpolitischen und versicherungsrechtlichen Fragen abgesehen – wir müssen genauestens beachten, ob eine solche Auflockerung nicht das Berufsbeamtentum an der Wurzel angreift und schwächt.

Focus: Das höchste Tabu gegen praktische Lösungen?

Dr. Schäuble: Ich will, im Gegensatz zur politischen Linken, dass der öffentliche Dienst weiterhin auf zwei Säulen aufbaut – Tarifbeschäftigte einerseits und Beamte, die im prinzipiell lebenslangen, beiderseitigen Treueverhältnis stehen, andererseits. Aus genau diesen Gründen bin ich persönlich kein großer Anhänger der Mitnahme von Versorgungsansprüchen.

Focus: Warum soll die Ausnahme denn nicht die Regel bestätigen?

Dr. Schäuble: Es würde die Eigenständigkeit des Beamtentums nicht unerheblich schwächen. Wir brauchen Beamte nicht für alles und jedes im öffentlichen Dienst. Aber für Kernaufgaben unseres Staates brauchen wir das bewährte Berufsbeamtentum. Deshalb will ich an dieser Säule nicht rütteln lassen, auch nicht ausnahmsweise.

Das Interview führten M. van Ackeren und M. Jach