„Ich stehe dafür ein, dass der Staat die Freiheitsrechte seiner Bürger schützt.“



Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Leipziger Volkszeitung über das neue BKA-Gesetz sowie das Verhältnis der CDU zu Grünen und FDP

Frage: Nicht Sie, sondern SPD-Jus­tizministerin Zypries steht auf der Angstmacherliste oben, wenn es um die Folgen des BKA-Gesetzes und anderer Sicherheitsgesetze geht. Was ist los?

Schäuble: Dieser in der Koalition ab­gestimmte und von Justiz- und Innen­ministerium getragene Referentenent­wurf wird nun von den Ländern bera­ten. Das Bundeskriminalamt erhält erstmalig Befugnisse zur polizeilichen Gefahrenabwehr bei einer terroristi­schen Bedrohung der Inneren Sicher­heit. Der Entwurf setzt selbstverständ­lich die Erfahrungen der Länder um. Sich dabei nicht an den in den Ländern bewährten Kompetenzen zu orientie­ren, wäre absurd und völlig unverant­wortlich.

Wären unterschiedliche Regelungen -zum Betreten von Wohnungen – zwi­schen Bund und Ländern verträglich?

Das BKA-Gesetz ist das erste Gesetz, das die Entscheidungen des Bundesge­richtshofs zur Kommunikationstechno­logie und zum Internet aufnimmt. Zu­dem ist jetzt höchstrichterlich festge­stellt, dass unter engen Voraussetzun­gen auch die technische Kommunikati­onsüberwachung inklusive Internet-Durchsuchung erlaubt ist. An diesen Kriterien hat sich der Bund orientiert.

Es bleibt als Problem das heimliche Eindringen in fremde Wohnungen.

Es wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht noch umfassend zu diskutieren, ob die derzeitige Fassung des Artikels 13 Grundgesetz das heimliche Betreten einer Wohnung zulässt. Das betrifft nicht nur die Frage einer Online-Durch­suchung. Deshalb haben wir im BKA-Gesetz auf eine gesonderte Regelung verzichtet. Darüber müssen Bund und Länder in aller Ruhe miteinander re­den.

Wieso so zurückhaltend?

Ich lege an die verfassungsrechtliche Qualität von Gesetzen sehr hohe Anfor­derungen. Deshalb ist es, auch im juris­tischen Sinn, eine verleumderische Be­hauptung, ich hätte serienweise Geset­ze vorgelegt, die vom Verfassungsge­richt kassiert worden sind. Das trifft auf Gesetze früherer Regierungen und auf Ländergesetze zu. Von mir gibt es kein Gesetz, das von Karlsruhe kassiert werden musste. Ich bin für die Ach­tung der Verfassung in der Bun­desregierung zuständig. Ich ra­te jedem, mich nicht als perma­nenten Verfassungsbrecher zu verleumden.

Im Strafrecht gilt die Un­schuldsvermutung. Wieso for­dern Sie bei der Terror-Be­kämpfung das Gegenteil?

Das Unschulds­prinzip im Strafrecht ist ein ganz hohes und zu schützendes Kultur- und Rechtsgut. Aufgabe der po­lizeilichen Gefahrenabwehr im Bereich der Terrorbedrohung – für die jetzt auch der Bund zuständig ist – ist es, bei Wahrung des Prinzips der Verhältnis­mäßigkeit das Menschenmögliche zu tun, um die Freiheit, den Schutz und die Rechte der Bürger zu wahren.

Das sagen ausgerechnet Sie?

Ich stehe dafür ein, dass der Staat die Freiheitsrechte seiner Bürger schützt. Nur unverantwortliche Kritiker be­haupten das Gegenteil. Nichts gegen den politischen Wettstreit. Aber bei der Diffamierung unseres Rechtsstaates als Überwachungsstaat hört es auf. Es ist schändlich, dass gerade die Linkspartei alias PDS/SED damit agitiert. Die behauptet, sie würde in besonderer Weise für die Bürger in den neuen Län­dern sprechen, dabei haben die Diktatur und Stasi-Überwa­chung erlebt. Das sollte auch früheren SPD-Verantwortlichen zu denken geben, wenn sie in maßlose Kritik gegen mich ausbrechen. Die haben mit dem Stichwort vom ?Überwachungsstaat“ der Linkspartei erst das Stichwort gelie­fert.

Hat Frau Merkel mit ihrer Politik der abgeschleiften CDU-Kontur, der Macht-und Klimaorientierung erst Schwarz-Grün ermöglicht?

Die Union kann eine ruhmreiche Rie­ge von Umweltministern vorweisen, da­runter übrigens auch Angela Merkel, die stark am Zustandekommen des Kyoto-Protokolls beteiligt war. Als Kanzlerin und Klimaschützerin hat sie sich überall Respekt erworben. Das mag manchem Grünen geholfen haben, seine Vorurteile abzubauen. Außerdem ist sie eine außergewöhnlich erfolgrei­che und auch noch sehr sympathische Kanzlerin und Parteivorsitzende.

Sie hat es erst ermöglicht?

Wenn Sie nur an die Zustimmung zum Eingreifen im Kosovo 1998 den­ken, so haben sich die Grünen schon auch gewaltig entwickelt. Sicher sind beiderseitige Vorurteile von früher ein Stück weit gefallen. 2005 ist Jamaika nicht an uns, sondern an den Grünen gescheitert. Und Ole von Beust hat vor der Hamburger Wahl deutlich gesagt, bevor es eine große Koalition gebe, würde er lieber Schwarz-Grün machen.

Wo bleibt da die FDP noch?

Unser bevorzugter Koalitionspartner ist die FDP. Wenn wir schon nicht allei­ne regieren können, dann gibt es mit der FDP mit Abstand die größte Schnitt­menge. Soweit man heute voraussehen kann, wird die FDP unser bevorzugter Partner bleiben. Aber Vorhersagen sind bekanntlich insbesondere auf die Zu­kunft schwierig.

Westerwelle kann ruhig schlafen?

Na schlafen soll er nicht, sondern hellwach sein.

Interview: Dieter Wonka