Globale Steuergestaltung verhindern – Regulierungsschlupflöcher stopfen



Rede im Deutschen Bundestag

Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Lieber Herr Kollege Steinbrück, Ihre rhetorischen Fähigkeiten sind unbestritten. Das Problem ist nur: Sie waren vier Jahre Finanzminister. Sie haben ja nach jedem Zuruf gleich gesagt, wie sehr Sie die anderen getroffen hätten. Also, ich habe noch gar nichts gesagt, aber Sie haben offensichtlich schon Angst davor, getroffen zu werden. Bleiben Sie ein bisschen ernsthaft.

Die Sozialdemokraten haben den Finanzminister in Deutschland seit 1998 gestellt. Bis 2009 ist nichts geschehen. Sie haben ein paar Wochen vor der Bundestagswahl Ihre schwarze Liste überhaupt erst in Kraft gesetzt. Niemand stand zu Ihrer Regierungszeit je auf dieser schwarzen Liste. Also, reden Sie doch keinen solchen Unsinn daher. Ihre Taten waren das genaue Gegenteil dessen, was Sie gesagt haben.

Ihre Rhetorik ist unbestritten. Amüsant, Ihnen zuzuhören. Das Vergnügen hört aber dann auf, wenn es in der Debatte um ein ernsthaftes Thema geht. Ich weiß nicht, wie Sie auf die Zahl von 1000 Milliarden Euro entgangener Einnahmen kommen. Diese Berechnungen zielen auf das Verständnis der Menschen ab. Lassen Sie das doch. Vielleicht sind Sie in der Lage – Sie wollen ja Regierungschef werden -, irgendwann mal ernsthaft über ein Thema zu reden und nicht nur mit billiger Polemik. Das ist ja zum Davonlaufen.

Wenn Sie einmal darüber nachgedacht hätten, was Sie Anfang des vergangenen Jahrzehnts im Rahmen Ihrer Unternehmenssteuerreform, die weit über das eigentliche Ziel hinausgegangen ist, gemacht haben und dass wir das zu Zeiten der Großen Koalition und in den letzten Jahren mühsam korrigieren mussten, dann würden Sie hier nicht solche Reden halten. Wir sollten über das Thema ernsthaft reden.

Sie haben beim Informationsaustausch nichts erreicht. Wir haben ein Abkommen mit der Schweiz ausgehandelt. In den letzten Debatten haben Sie sich immer wieder auf den Vorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Herrn Eigenthaler, bezogen. Nun hat Herr Eigenthaler eine Amnestie im Zusammenhang mit der Schweiz gefordert, obwohl er sie zuvor noch kritisiert hatte. Ich sage Ihnen: Was wir ausgehandelt haben, war das, was im Hinblick auf die Vergangenheit erreichbar war. Wenn wir in Zukunft einen automatischen Informationsaustausch zustande bringen, ist das gut. Aber dass sich Luxemburg und Österreich überhaupt darauf einlassen, ihr Opt-out von der Zinsbesteuerungsrichtlinie, das während Ihrer Regierungszeit so ausgehandelt wurde, aufzugeben, ist ein Erfolg unserer beharrlichen diplomatischen Bemühungen in Europa. Mit großspurigen Reden über die Kavallerie, die nur für die deutsche Öffentlichkeit gedacht sind, erreicht man so etwas nicht.

Wenn wir ernsthaft diskutieren, müssen wir zwei Sachverhalte unterscheiden. Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung ist in einer international verflochtenen Welt und angesichts der Mobilität der Finanzmärkte, die völlig anders ist als früher, nur noch mit den Mitteln des Informationsaustauschs zu führen. Der Weg des Informations-austauschs ist der richtige Weg. Deswegen kann das Bankgeheimnis in Zukunft keinen Bestand haben. Das ist unbestritten.

Richtig ist aber auch, dass Rechtsstaaten das sind hoffentlich alle Länder, um die es hier geht rechtliche Regelungen nicht rückwirkend abschaffen können. Das können wir Gott sei Dank auch in Deutschland nicht, genauso wenig wie die Schweiz. Das würde sie auch nicht wollen. Für die Zukunft haben wir den Informationsaustausch, und für die Vergangenheit brauchen wir eine pauschalierende Regelung. Das hat inzwischen sogar der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft eingesehen. Sie waren zu Zeiten von Herrn Eichel schon viel weiter und haben eine Amnestiegesetzgebung auf den Weg gebracht, die viel niedrigere Sätze vorsah.

Ich wette, dass wir in den kommenden Jahren auf EU-Ebene eine pauschalierende Regelung auch mit der Schweiz vereinbaren werden; denn wir müssen die Altfälle irgendwie regeln. Aber dann werden wir Ihnen vorrechnen, wie viele Milliarden an Steuereinnahmen durch inzwischen eingetretene Verjährung, die Sie durch den parteipolitischen Missbrauch Ihrer Bundesratsmehrheit ermöglicht haben, für Bund, Länder und Kommunen unwiderruflich verloren gegangen sind.

Neben Regelungen gegen Steuerhinterziehung, die wir durch Informationsaustausch und Veränderungen in unseren Rechtssystemen diese können wir angesichts der Globalisierung der Märkte so nicht mehr aufrechterhalten; das hat inzwischen auch die Schweiz akzeptiert bekämpfen müssen, müssen wir etwas viel Komplizierteres hinbekommen. Wir müssen die Steuersysteme so abstimmen und zwar möglichst global, auf OECD-Ebene , dass die Möglichkeiten der legalen Steuervermeidung oder der Steuergestaltung der Übergang ist hier fließend begrenzt werden. Da eine solche Abstimmung in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird, sollten Sie keine unrealistischen Versprechungen von Steuermehreinnahmen in Höhe von 1 000 Milliarden Euro machen. Sie können solche Reden halten, weil Sie sicher sein können, niemals Kanzler zu werden. Deswegen werden Sie nie an Ihren Reden gemessen werden, die Sie hier halten.

Wir tragen aber Verantwortung für unser Land. Wir wollen an dem gemessen werden, was wir versprechen. Deswegen wollen wir nicht mehr versprechen, als wir halten können.

Ich bin es doch gewesen, der die BEPS-Initiative, die in der OECD ziemlich dahingestromert ist Sie haben doch gar nicht gewusst, dass sich in den Arbeitsgruppen seit Jahren nichts bewegt hat , auf die Ebene der G 20 gehoben hat. Inzwischen hat die Sache sehr viel Bewegung bekommen.

Solange Sie von Ihrer Rhetorik so begeistert sind, dass Sie dafür extra Applaus einwerben, ist die Gefahr groß, dass Sie sich nicht ernsthaft um die Sache kümmern. Mit Ihnen kann man nicht sprechen. Wenn man einen Satz sagt, rufen Sie sofort dazwischen. Deswegen strafe ich Sie eher mit geringerer Beachtung; anderes hat keinen Sinn. Sie führen keine Debatte, sondern versuchen nur, mich am Reden zu hindern. Sie wollen keine sachliche Erörterung der Themen zulassen. Mit dieser klassenkämpferischen Polemik, die Sie hier betreiben, wollen Sie verhindern, dass ich noch etwas zur Sache sage.

Auf diesem Niveau kann ich Ihnen sagen: Sie lösen das Problem ganz einfach. Bei Ihren Steuererhöhungsorgien man hat das Gefühl, Sie wollen alle Steuern erhöhen, vielleicht bis auf die Sektsteuer, dafür werden Sie Gründe haben erreichen Sie, dass am Schluss alle Unternehmen aus Deutschland vertrieben werden. Dann haben Sie auch keine Möglichkeit der Steuergestaltung mehr. Stimmt, das ist polemisch; aber es ist natürlich auch nicht sehr sinnvoll.

Jetzt ernsthaft: Wir wissen, dass wir auf absehbare Zeit kein harmonisierendes Steuersystem weltweit bekommen werden. Wir werden nicht einmal in Europa einheitliche Steuersätze bekommen; ich habe mit meinem holländischen Kollegen über die Besteuerung von Lizenzeinnahmen gesprochen. Deswegen müssen wir uns auf bestimmte realisierbare Schwerpunkte bei der Beschränkung des Spielraums für legale Steuergestaltung konzentrieren.

Wir müssen einerseits das Verbot der doppelten Nichtbesteuerung durchsetzen. Es ist ein realisierbares Ziel, dass es auf internationaler Ebene und in Europa keine Weißen Einkünfte gibt. Das ist ein Ziel, das wir erreichen können.

Das Zweite, was wir darüber hinaus erreichen müssen, betrifft ein in Europa höchst schwieriges Thema. Sie wissen doch genau, dass jedes Mandat in Europa zur Bekämpfung schädlicher Besteuerungspraxen harmful tax practices im Grunde dadurch begrenzt ist, dass gesagt wird: Die Steuersätze sind keine Frage des Wettbewerbs; sie unterliegen der nationalen Steuergestaltung. Deswegen müssen wir erreichen, dass wir in Europa Mindeststeuersätze für Lizenzeinkünfte vereinbaren. Bei Zypern haben wir zum ersten Mal erreicht, dass das Niveau der Unternehmensbesteuerung im Zypern-Programm wenigstens auf 12,5 Prozent, also das irische Niveau, angehoben wurde. Das muss mindestens das Niveau für die Besteuerung von Lizenzeinnahmen sein; das sehen wir als realistischen Schritt an.

Andernfalls werden wir den Weg gehen müssen darüber haben wir mit den Finanzministern der Länder in der vergangenen Woche gesprochen; Sie sollten das übrigens auch einmal tun, wenn Sie ernsthaft über die Bekämpfung von Steuerhinterziehung reden wollen , der europarechtlich auch höchst kompliziert ist, Lizenzzahlungen an Unternehmen in Ländern, in denen diese Lizenzeinkünfte nicht angemessen besteuert werden, beim Betriebsausgabenabzug nicht mehr voll anzuerkennen. Dass wir damit europarechtlich jede Menge Schwierigkeiten haben, müssten Sie eigentlich aus Ihrer Amtszeit wissen. Wir müssen aber versuchen, zwischen diesen beiden Verhandlungspolen zu einer einvernehmlichen Lösung in Europa zu kommen, weil wir ohne eine einvernehmliche Lösung in Europa zwar rhetorisch immer noch eindrucksvoll sind, wenn wir weiterhin die Kavallerie ankündigen, aber in der Sache nichts bewegen.

Ich nenne einen dritten Punkt, um Sie daran zu erinnern, womit Sie sich früher, als Sie noch Verantwortung trugen, beschäftigen mussten. Wir müssen im Rahmen der europäischen Rechtsetzung bei den Briefkastenfirmen ansetzen und dafür sorgen, dass alle Gesellschaften bzw. rechtlichen Konstruktionen Sie kennen vielleicht das Cadbury-Schweppes-Urteil des Europäischen Gerichtshofs , jede „legal entity“, jede gesetzliche Einheit, steuerlich anerkannt wird. Wir müssen eine Klausel gegen den Missbrauch finden, damit in Europa verbindlich wird, dass Briefkastenfirmen nicht mehr als Instrument der Steuergestaltung und der Steuervermeidung in Europa anerkannt werden. Aber auch das können wir in Europa nur einvernehmlich regeln; denn solche Regelungen erfordern nach dem Prinzip der europäischen Verträge 27 Jastimmen. Das ist ein mühsamer Weg. Mit Ihrer Art von Rhetorik aber erreichen Sie gar nichts.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns deshalb in einer globalisierten Wirtschaft unser Steuerrecht auf der einen Seite darauf ausrichten, wettbewerbsfähig zu sein, damit wir im Kampf gegen Arbeitslosigkeit weiter erfolgreich sind und nachhaltiges Wachstum haben, und lassen Sie uns auf der anderen Seite darauf achten, dass die Möglichkeiten globaler Finanzmärkte nicht dazu führen, dass global tätige Unternehmen sehr viel weniger Steuerbelastung haben, weil sie die Gestaltungsmöglichkeiten verschiedener steuerlicher Jurisdiktionen stärker nutzen können als ein kleines mittelständisches Unternehmen. Daran müssen wir arbeiten, beharrlich, geduldig und entschlossen.

Allein mit Rhetorik, Herr Steinbrück, werden Sie gar nichts erreichen. Deswegen sage ich noch einmal: Hören Sie damit auf! Wenn Sie ein paar Linke in der SPD mobilisieren wollen, dann ist es vielleicht die richtige Rhetorik. Wenn Sie unser Land in Europa und in einer eng verflochtenen Welt weiter verantwortlich voranbringen wollen, dann ist der beharrliche und stetige Weg der Bundesregierung der einzig erfolgreiche. Gemessen an dem Nichtstun sozialdemokratischer Finanzminister in elf Jahren haben wir in diesen vier Jahren unglaublich viel vorangebracht. Wir sind entschlossen, dies fortzusetzen.