„Geschürte Verunsicherung völlig unbegründet“



Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im RBB INFOradio-Interview

Alexander Krahe: Heute soll im Bundestag das BKA-Gesetz verabschiedet werden. Bundesinnenminister Schäuble hat lange dafür gekämpft. Sind Sie zufrieden?

Dr. Wolfgang Schäuble: Ich bin zufrieden, dass wir jetzt endlich den Auftrag des Verfassungsgesetzgebers erfüllen können. Der hat vor fast drei Jahren mit Zweidrittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat beschlossen, dass angesichts der Gefahr des internationalen Terrorismus das Bundeskriminalamt diese neue Aufgabe übertragen bekommen soll. Das ist eine Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers. Die müssen wir durch den Gesetzgeber umsetzen. Das geht nur auf gesetzlicher Grundlage. Damit braucht das Bundeskriminalamt erstmals die Befugnisse, um diese Aufgabe zu erfüllen, die jede Landespolizei hat…

Krahe: Die Kritik seit Jahren ist, dass die Trennung von Polizei und Geheimdiensten möglicherweise verletzt wird. Sind die Grenzen klar gezogen?

Schäuble: … Die meisten Leute, die das kritisieren, haben gar nicht begriffen, dass das Bundeskriminalamt im Prinzip keine anderen Befugnisse bekommt, als die Landespolizei seit 50 Jahren hat. Wenn man das den Menschen klarmacht, dann sagen die Menschen, worüber streitet ihr eigentlich. Deswegen ist es wichtig, dass wir über den Inhalt reden. Dann kann man sich auch wieder mit kritischen Fragen auseinandersetzen.

Krahe: Ist die Ansicht verfehlt zu sagen, hier werden Kernbereiche privater Lebensführung berührt, in dem, was jetzt da möglich ist?

Schäuble: Wenn die Polizei einen Verdächtigen verhaftet … auf richterliche Anordnung – das ist das Prinzip des Rechtsstaats – oder wenn sie eine Hausdurchsuchung macht … auf richterliche Anordnung, dann wird damit der Kernbereich von Grundrechten berührt. Deswegen geht es nach der Systematik des Grundgesetzes nur auf Grund eines Gesetzes, das die Voraussetzungen und Grenzen genau beschreibt. Da muss ein unabhängiger Richter im Einzelfall entscheiden… Nichts anderes ist das auch beim Bundeskriminalamtsgesetz. Dass die Polizei unter engen Voraussetzungen auch mal ein Telefon abhören kann, ist seit 100 Jahren auch nichts Neues. Das hat jede Landespolizei. Da sind die Voraussetzungen ganz eng. Der Richter muss entscheiden. Genauso wird es beim Bundeskriminalamt gemacht. Deswegen ist die Verunsicherung, die in zwei Jahren geschürt worden ist, eine völlig sachlich unbegründete.

Krahe: Grüne und FDP haben bereits angekündigt, dass sie das Gesetz gern vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen wollen. Sie wollen Klage erheben. Stellen Sie sich darauf ein, dass es in Einzelheiten Korrekturen des Gesetzes durch die Karlsruher Richter geben wird?

Schäuble: Wir wissen genauso gut, was die Verfassung erlaubt und was sie nicht erlaubt. Wir halten uns peinlich genau daran. Im Übrigen hat das Verfassungsgericht, als es ein von einem FDP-Minister verantwortetes Landesgesetz überprüft hat – das war das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz, da war die Online-Durchsuchung vorgesehen, aber es war schlampig gearbeitet – gesagt, das geht zwar im Prinzip, aber so, wie es dort gemacht worden ist, geht es nicht. So wie wir es im Bundeskriminalamt machen, entspricht es zu 100 Prozent dem Grundgesetz. Dass man das Verfassungsgericht anruft, um es zu überprüfen, ist nach dem Grundgesetz genauso vorgesehen. Das entspricht unserem Rechtsstaat. Da bin ich sehr dafür…

Krahe: …. Die SPD hat jetzt nach einem Koalitionskompromiss ihre Haltung zu Bundeswehreinsätzen im Inneren wieder verändert und will Einsätze der Bundeswehr auf zwei ganz eng umrissene Ausnahmefälle beschränken, die Abwehr unmittelbar drohender Gefahren aus der Luft oder der See… Ist damit das Thema für Sie vom Tisch, wird man sich in dieser Legislaturperiode nicht mehr einigen?

Schäuble: … Fachlich waren wir uns alle einig, Justizministerium, Außenministerium, Verteidigungsministerium und das Innenministerium auch. Dann hat man auf Wunsch und Drängen von Herrn Steinmeier das so verabredet. Anschließend hat die SPD-Fraktion gesagt, dem stimmt sie nicht zu. Bei der SPD geht es ein bisschen drunter und drüber. Wenn das so bleibt, hat das in dieser Legislaturperiode keinen Sinn mehr.

Krahe: Sie  hängen sich bei dem Thema nicht mehr rein?

Schäuble:… Was machen Sie mit einer SPD, die heute eine Verabredung trifft und am nächsten Tag sagt, sie kann sie nicht einhalten. Gestern ist es beim Konjunkturprogramm bei der SPD so gewesen. Da hat es keinen Sinn. Wir müssen uns auf die Wahrnehmung unserer Aufgaben konzentrieren. Wir machen das mit aller Entschiedenheit. Der Bundesaußenminister hat zu Recht gesagt, es wäre dringend wünschenswert im Interesse des Verteidigungsministers wie der Soldaten, die durch ein verunglücktes Gesetz der rot-grünen Koalition verunsichert sind – … die rot-grüne Regierung hat damals ein völlig verkorkstes Luftsicherheitsgesetz gemacht –, dass die Rechtsfragen, was verfassungsrechtlich möglich ist, (geklärt werden). Aber wenn die SPD dazu jetzt nicht mehr in der Lage ist, weil sie nicht mehr berechenbar ist, dann müssen wir das eben auf die nächste Legislaturperiode verschieben.

Fragen/Bericht: Alexander Krahe