Gelebte Humanität, Solidarität und Nächstenliebe ? 125 Jahre Wasserrettung in Deutschland



Das rote Kreuz steht wie kein anderes Symbol für Humanität, Solidarität und Nächstenliebe ? diese Leitgedanken, die die Gründung des Roten Kreuzes getragen haben, sind bis heute erleb- und erfahrbar geblieben. Damit leisten Sie einen zweifachen Dienst für die Menschen und die Gemeinschaft in unserem Land.

Zum einen leisten Sie in vielfältige Weise ganz konkrete Hilfe, etwa durch den Wasserrettungsdienst beim Baden und Wassersport bis hin zum Katastropheneinsatz bei Hochwasser. Und Sie sind nicht nur zur Stelle, wo die Kraft und Gewalt des Wassers Menschen und ihr Hab und Gut konkret bedrohen oder bereits Schaden angerichtet haben. Sie wissen, dass gute Vorbereitung und Prävention die besten Mittel sind, Unheil abzuwenden.

Die Wasserwacht hat sicher schon so manches Unglück verhindert, indem Sie vor Gefahren im und am Wasser aufgeklärt hat. Außerdem bildet die Wasserwacht nicht nur Rettungsschwimmer aus, sondern bietet auch Schwimmkurse für die breite Bevölkerung an. Und es ist die vielleicht wichtigste vorbeugende Maßnahme für die Badesicherheit, dass Sie Jahr für Jahr rund 60.000 Menschen das Schwimmen beibringen. Dieser weit über die Wasserrettung hinausgehende Beitrag ist in besonderer Weise dankenswert, wenn man bedenkt, dass immer weniger Menschen in unserem Land schwimmen können.

Aus dem Ziel, das sich das Deutsche Rote Kreuz vor 125 Jahren gesetzt hat, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren, ist ein enorm weites Aufgabengebiet erwachsen ? einschließlich des Natur- und Gewässerschutzes. Auch die Wahrnehmung dieser Aufgabe zeigt Ihr Selbstverständnis eines umfassenden gesellschaftlichen und nachhaltigen Engagements.

Über diese unmittelbar sichtbare Hilfe hinaus leisten Sie aber noch einen weiteren, ebenso wichtigen Beitrag für das Miteinander der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land: Ihre konkrete Hilfe ist gelebte Solidarität. Indem Sie Verantwortung wahrnehmen und selbstlos Opfer bringen, unentgeltlich Dienst für andere leisten, leben Sie eine Haltung vor, die von Gemeinschaftssinn getragen ist. Sie vermitteln Werte ohne viele Worte, Sie ermutigen und stärken andere durch Ihr Vorbild. In einer Gesellschaft, in der Bindungen verloren zu gehen drohen und in der eigennütziges Streben nach persönlichem Profit bisweilen jedes Maß zu verlieren droht, vermitteln Sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das zuversichtlich macht und Auftrieb gibt.

Insofern ist auch die Jugendarbeit des DRK von unschätzbarem Wert. Ihr Engagement für die Jugend geht weit über die Nachwuchsgewinnung hinaus. Als Bundesinnenminister beschäftigt mich auch die Sorge um wachsenden Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit sowie mangelnde Integration. Ich glaube, dass die Jugendorganisationen etwa des DRK, der Jugendfeuerwehren und viele andere ebenso wie die Sportvereine das attraktivste Angebot und wahrscheinlich wirkungsvollste Mittel gegen Rechtsextremismus und für Integration sind. Ich kann Sie daher in Ihrer Arbeit nur ermuntern und Ihnen sagen: Wir wissen, dass Sie über die Nachwuchsgewinnung für die Wasserwacht hinaus einen wichtigen Beitrag zur Stabilität unserer freiheitlichen rechtsstaatlichen Verfassung leisten.

Bürgerschaftliches Engagement ist das Fundament einer freiheitlichen Gesellschaft. Demgegenüber sind staatliche Lösungen immer nur zweitbeste Lösungen. Deswegen unterstützt der Staatdas bürgerschaftliche Engagement nach Kräften. Werte schaffen und weitergeben ? das kann die Gesellschaft viel besser; ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln ? das können Menschen, die Gefühle, Werte und Vorstellungen miteinander teilen, nicht aber der Staat; sich für andere einsetzen ? das kann nur aus dem Verantwortungsgefühl des Einzelnen erwachsen, nicht von Staats wegen verordnet werden. So bildet sich eine stabile Ordnung der Freiheit, die jeder anderen überlegen ist.

In einer globalisierten Welt, die sich rasant verändert und unser Gemeinwesen immer wieder vor neue Herausforderungen stellt, ist bürgerschaftliches Engagement vielleicht noch wichtiger, weil mit den schnellen und grundlegenden Änderungen Unsicherheiten wachsen, Bindungen schwächer werden, und das könnte die demokratische Stabilität gefährden. Also brauchen wir Engagement für nachhaltige Freiheit.

Der technologische Fortschritt und die zunehmende Mobilität der Menschen, die damit zusammenhängende Globalisierung ebenso wie der Klimawandel sind Entwicklungen, die unsere Welt nachhaltig verändern und die wie jede Entwicklung Chancen, aber auch neue Bedrohungen mit sich bringen. Als Innenminister, der auf der Bundesebene für die Sicherheit zuständig ist, habe ich vor allem mit Phänomenen wie einer globalisierten Kriminalität, internationalem Terrorismus, aber auch zunehmender Internetkriminalität im Alltag zu tun.

Ich bin auch für das Krisenmanagement und den Bevölkerungsschutz im Bund zuständig. Die Gefahren und Schäden durch Naturereignisse sind gestiegen und werden nach Meinung der Wissenschaftler auch künftig wachsen. Wir müssen uns vor allem auf extreme Niederschläge, Stürme und Hochwasserlagen an den Flüssen einstellen und Vorsorge treffen.

Unser nationaler Bevölkerungsschutz ist davon geprägt, dass verschiedene staatliche wie nicht-staatliche Akteure auf unterschiedlichen Ebenen beteiligt sind. Das Verbundsystem von staatlichen Akteuren und Freiwilligenorganisationen sorgt für ein sehr hohes Sicherheitsniveau, das wir mit einem zentralstaatlichen Organisationsprinzip nach meiner Überzeugung nicht erreichen würden. Die Grundlage für einen effektiven Schutz in diesem System ist eine sinnvolle, zeitgemäße Aufgabenverteilung sowie eine reibungslose Zusammenarbeit und gute Koordination der Beteiligten.

Nach der föderalen Ordnung unseres Grundgesetzes ist die allgemeine Gefahrenabwehr Sache der Kommunen und Länder. Der Bund hat im Bevölkerungsschutz eine eher eng begrenzte Kompetenz. Er trägt ? so die geltende Verfassungsrechtslage ? Verantwortung allein für den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren. Das verpflichtet den Bund unabhängig von tagespolitischen Entwicklungen die Mittel für den Einsatz des Zivilschutzes jederzeit zu gewährleisten. Der klassische Verteidigungsfall ist aber glücklicherweise unwahrscheinlich geworden. Heute müssen wir eher große Naturkatastrophen und leider auch kriminelle terroristische Anschläge im Blick haben. In dieser Situation kommt es auf ein effektives Krisenmanagement an, das die verschiedenen Ressourcen optimal zusammenführt.

Der Bund hat sich in den letzten Jahren bereits darauf eingestellt. Der Bevölkerungsschutz soll nicht ab-, er muss aber umgebaut werden. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren begrüßt die Neuausrichtung des Bundes im Bevölkerungsschutz. Sie möchte, dass der Bund nicht nur im Verteidigungsfall die Bevölkerung schützt, sondern dass der Bund etwa auch bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen, die das Gebiet mehr als eines Landes gefährden, die Länder bei ihren Schutzmaßnahmen unterstützt. Es geht darum, die Einrichtungen undRessourcen des Bundes im Wege des Doppelnutzens den Ländern verfügbar zu machen.

Deswegen werden wir ein neues Bevölkerungsschutzgesetz auf den Weg bringen, das die Neuausrichtung des Bundes einfachgesetzlich absichern soll. Im Facharbeitskreis V der IMK haben sich Bund und Länder vor einer Woche über das gesetzgeberische Konzept verständigt.

Das operative Krisenmanagement bleibt aber bei den Ländern. Es wird daher kein operatives Weisungsrecht des Bundes gegenüber Landesbehörden geben. Der Bund bietet den Ländern Unterstützung beim Ressourcenmanagement an, insbesondere bei Engpässen. Zentrale Koordinierungsaufgaben wird er nur wahrnehmen, wenn die betroffenen Länder dies anfordern.

Bei der ergänzenden Ausstattung für den Katastrophenschutz sind wir im vergangenen Jahr einen wesentlichen Schritt vorangekommen. Ende Juli 2007 hat die Innenministerkonferenz das Neukonzept des Bundes beschlossen, aus dem sich Folgendes ergibt: Rückzug des Bundes aus der bisherigen Ergänzung der flächendeckenden Grundversorgung, dafür ? angesichts neuer Bedrohungslagen ? Konzentration auf Spezialfähigkeiten mit den Schwerpunkten ABC-Schutz und Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten. Das bedeutet eine gefährdungsorientierte und somit schwerpunktmäßige Vorsorge für ?Sonderlagen?.

Insgesamt stellt der Bund den Ländern künftig über 5.000 Fahrzeuge bereit und bezahlt wie bisher deren Betrieb und Unterbringung. In einer Übergangszeit bis 2010 treffen die Länder Vorbereitungen, um sich auf die neuartige, aber nicht verringerte Unterstützung des Bundes einzustellen.

Bei allen notwendigen Anpassungen und Veränderungen, steht es nicht zur Debatte, dass die ehrenamtlichen Strukturen im Katastrophenschutz im bisherigen Umfang erhalten bleiben. Denn die 1,8 Millionen zivilen, fast ausschließlich ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind das Rückrat des deutschen Bevölkerungsschutzes.

Das Zusammenwirken aller Beteiligten muss gut geübt sein, damit im Ernstfall alles reibungslos funktioniert. Deshalb führen wir seit 2004 ressort- und länderübergreifende Krisenmanagementübungen, die so genannten LÜKEX-Übungen, durch.

Im November 2007 haben mehrere Bundesressorts, sieben Bundesländer sowie bundesweit operierende Institutionen, Organisationen und Unternehmen das Krisenmanagement im Falle einer angenommenen Influenza-Pandemie geübt.

Auch die hubschraubergestützte Wasserrettung von Menschen ist ein Beispiel enger kooperativer und effektiver Zusammenarbeit von Behörden, Einrichtungen und Organisationen. Bei den Hochwasserkatastrophen an Oder und Elbe mussten viele Personen aus der Luft mit Hilfe von Hubschraubern gerettet werden. Die Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes hat damals in Kooperation mit der Fliegerstaffel der Bundespolizei in Oberschleißheim sowie dem Transportgeschwader der Bundeswehr in Landsberg ein Rettungskonzept vorgelegt. Die enge und kameradschaftliche Zusammenarbeit der Partner war sehr erfolgreich.

Die Wasserrettung unter Einsatz von Hubschraubern zeigt, dass dann, wenn die Beteiligten eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, der beste Schutz für die Menschen erreicht wird.

Beispielhaft haben im September und Oktober letzten Jahres Angehörige der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes, der Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, der Feuerwehren und der Bundespolizei in Hessen und Rheinland-Pfalz gemeinsamen trainiert, und es ist gut zu wissen, dass die überwiegend ehrenamtlichen Retter einen hohen Ausbildungsstand hatten und die Zusammenarbeit mit den Hubschrauberbesatzungen gut funktioniert hat. Und es ist auch gut zu wissen, dass die Retter der Freiwilligenorganisationen und der Feuerwehren sowie die Hubschrauberbesatzungen von Bundespolizei, Bundeswehr und Polizeien gut ausgebildet und ausgestattet deutschlandweit für Hilfseinsätze bei uns und im nahen Ausland bereitstehen.

Ihr 125jähriges Jubiläum ist ein schöner Anlass, um herzlich zu gratulieren und der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes für ihre Arbeit und ihr selbstloses Engagement zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger zu danken. In meinen Dank schließe ich ausdrücklich alle anderen Wasserretter ? die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, den Arbeiter-Samariter-Bund, die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, die Feuerwehren und nicht zuletzt das THW ? ebenso wie die übrigen Helfer des Deutschen Roten Kreuzes ein. In unzähligen Einsatzstunden haben Sie alle ? häufig gemeinsam ? anderen Menschen in der Not geholfen. Ihre Aufgaben erfordern Mut, Engagement und Freude an gemeinschaftlicher Arbeit. Sie riskieren nicht selten Ihr Leben, um das Leben anderer zu retten.

Ich wünsche der Wasserwacht zu ihrem Geburtstagsfest und Ihnen allen für Ihre Arbeit an den 365 Tagen eines normalen Jahres alles Gute, viel Erfolg, viel Freude an der Sache, glücklich endende Einsätze und das Bewusstsein, dass Sie einen unerlässlichen Dienst für die Menschen in unserem Land leisten. Und dieses Bewusstsein wünsche ich nicht nur Ihnen, sondern uns allen, die wir Dank Ihres Einsatzes sicherer leben.