„Der Haushalt 2010 ist ein Kind der Krise“



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Börsen-Zeitung
Herr Minister Schäuble, wie fühlt man sich, wenn mit dem eigenen Namen und Amt Begriffe wie „Schuldenweltmeister“ und „Rekordverschuldung“ verknüpft werden?

Es war mir schon vor der Amtsübernahme klar, dass mit solchen Etiketten gearbeitet werden wird. Auch wenn das mit der Substanz von Politik wenig zu tun hat. Die Aufgabe des Finanzministers in diesen Krisenzeiten ist riesengroß. Und manchmal erschrecke ich selber angesichts dieser Dimension.

Lassen wir mal die Etiketten beiseite, Politik will natürlich gestalten. Ist der politische Handlungsspielraum angesichts der Rekordverschuldung nicht verloren gegangen?

Das ist so nicht ganz richtig. Bedenken Sie doch, was wir in der letzten Legislaturperiode mit den Mitteln der Finanz- und Haushaltspolitik geleistet haben, um die Wirtschaftskrise zu schultern. Deutschland hat die Krise trotz eines historisch hohen Wachstumseinbruchs um 5 % besser gemeistert, als man das zuvor zu hoffen gewagt hatte. Das war ein ganz konkreter Beitrag der Finanzpolitik.

Dafür hat man aber eine gigantische Verschuldung hingenommen. War es das wert?

Ja, dazu gab es keine Alternative. Vergessen Sie nicht: International wurde uns bis vor kurzem noch vorgeworfen, zu wenig gegen die Krise zu tun. Nun stehen wir vor der Aufgabe, den richtigen Pfad für einen Ausstieg aus der Krisenpolitik zu finden. Und wir müssen international, europäisch und national dafür Sorge tragen, dass sich eine Krise solchen Ausmaßes nicht wiederholt. Außerdem müssen wir vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die Nachhaltigkeit – also die Schuldentragfähigkeit – des Haushalts absichern. Das sind alles große Gestaltungsaufgaben.

Warum aber ist derzeit noch so wenig von der bevorstehenden Haushaltskonsolidierung die Rede, aber doch so viel von Wachstumsbeschleunigung?

Die Vorgaben für die Konsolidierung sind klar: Wir haben die Schuldenbremse – und die werden wir einhalten. Nicht nur der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt, sondern auch das Grundgesetz gibt uns also klare Leitlinien vor. Aber unbestritten ist auch: Wir brauchen nachhaltiges Wachstum in diesem Land, um diese Leitlinien dauerhaft einzuhalten.

Die Schuldenbremse zwingt erst 2011 zur Konsolidierung. Aber ist das nicht zu spät vor dem Hintergrund der sich bereits 2010 wieder bessernden Konjunktur?

Es herrscht international Konsens, dass die Krise erst im Laufe des Jahres 2010 langsam zu Ende geht und bis dahin ein Stopp der stimulierenden Maßnahmen gefährlich wäre. Die Bundesregierung hat daher vereinbart, das bereits im Juni 2009 beschlossene Neuverschuldungsvolumen trotz zwischenzeitlich zusätzlicher Belastungen – zuletzt durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz — nicht zu überschreiten, aber auch nicht zurückzufahren. Es bleibt bei der jetzt avisierten Summe von knapp 86 Mrd. Euro Neuverschuldung; zusammen mit dem Investitions- und Tilgungsfonds und dem Soffin kommt man sogar auf 100 Mrd. Euro. Noch einmal: 2010 ist das Jahr, in dem die Überwindung der Krise unterstützt wird; ab 2011 muss dann mit der Konsolidierung begonnen werden. Das entspricht übrigens auch den Empfehlungen der EU-Kommission und ist international so verabredet.

Die von ihnen so geschätzte Bundesbank drängt aber darauf, bereits 2010 mit dem Bremsen zu beginnen und den „Exit“ einzuläuten…

Ich habe die Empfehlungen der Bundesbank eher so verstanden, dass sie der Bundesregierung nahelegt, das Drei-Prozent-Kriterium für den Haushalt bereits 2012 zu erfüllen. Dass wir das wie in der EU verabredet 2013 einhalten — darüber gibt es keine Diskussionen. Wenn wir es früher hinkriegen, umso besser. Wir müssen nur darauf achten, dass alle Länder darauf hinarbeiten. Das ist auch ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspakts.

Wie sollen die Menschen, wie soll der Kapitalmarkt daran glauben, dass 2011 die Konsolidierung beginnt, wenn es diesbezüglich noch keinerlei Pläne gibt?

Wir werden die mittelfristige Finanzplanung, in der ein Konsolidierungspfad eingearbeitet ist, Mitte 2010 vorlegen. Um den Konsolidierungskurs ab 2011 durchzusetzen, genügt es ja nicht, tolle Pläne vorzulegen, die dann in der Wirtschaftspresse und unter Ökonomen große Zustimmung finden. Wir brauchen dafür Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Und dies ist nur möglich, wenn auch in der breiten Öffentlichkeit ein hinreichendes Verständnis dafür vorhanden ist.

Andere sprechen nicht von Oberzeugungsarbeit, sondern von Wahltaktik.

Den in diesem Zusammenhang vor allem aus der Wirtschaft kommenden Vorwurf, man würde mit einer solchen Haltung nur auf Wählerstimmen schielen, halte ich – gelinde gesagt – für unsinnig. Das wäre so, als würde man einem Unternehmer vorwerfen, er orientiere sich am Markt. In der Demokratie entscheiden nicht einige wenige nach Gutdünken, sondern man muss aus einer demokratisch legitimierten Mehrheit heraus Zukunftsentscheidungen treffen. Angesichts dessen glaube ich, dass wir eine größere Chance haben, ein Konsolidierungskonzept durchzusetzen, wenn es nicht gleich wieder zerredet wird. Dafür muss man klug vorgehen und sich die erforderliche Zeit lassen. Nur dann stehen uns auch belastbare Informationen, insbesondere zum Konjunkturverlauf, zur Verfügung.

Aber dass gespart werden muss, kann sich doch jeder an einer Hand abzählen. Allein 2011 geht es um rund 10 Mrd. Euro. Ist diese Unsicherheit über die künftige Haushaltspolitik nicht schlimmer als ein konkretes Sparkonzept?

Niemand verschweigt doch, dass es 2011 zu Sparrunden kommen wird. Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass der Haushalt 2010 ein Kind der Krise ist. Damit haben wir aber erreicht, dass die Arbeitslosigkeit nicht so stark ansteigt wie ursprünglich befürchtet. Zugleich hat die Akzeptanz unseres politischen Systems trotz der Krise nicht gelitten. Und wir sollten nicht verharmlosen, dass diese Gefahr bestanden hat. Deshalb müssen wir verantwortungsbewusst vorgehen und den Exit ordentlich vorbereiten, ohne dass es zu einer erratischen Diskussion kommt. Und dafür ist auch das richtige Timing entscheidend.

Aber kann mit ähnlichen Argumenten nicht auch Ihr griechischer Amtskollege kommen und womöglich auch der spanische?

Bei allem Respekt vor Griechenland: Die Situation dort ist nicht mit der in Deutschland zu vergleichen. Griechenland hat in der Vergangenheit nicht alle Zusagen und Auflagen beachtet. Die EU-Regierungschefs haben Athen immer wieder davor gewarnt, dass die Bevölkerung für diese Haltung irgendwann bezahlen muss. Geradezu fassungslos verfolgten viele europäische Finanzminister, dass Athen vor Kurzem noch eine Lohnerhöhung für die öffentliche Verwaltung durchgedrückt hat, die mit dem Zustand des Landes nicht zu vereinbaren ist. Wir dürfen Griechenland die Erfahrung nicht ersparen, dass sich sein finanzpolitisches und wirtschaftliches Verhalten nachhaltig ändern muss.

Und wenn das Land wieder nicht auf diese Ratschläge hört? Was dann?

Es wäre falsch verstandene Solidarität, wenn wir den Griechen mit Finanzhilfen unter die Arme greifen würden.

Es wird also kein Geld fließen und weiter nur politischer Druck aufgebaut?

Wer es haushaltspolitisch soweit hat kommen lassen, muss schwere Konsequenzen tragen. Wir müssen unsere eigene Bevölkerung ja auch auf weniger freigiebige Zeiten des Staates vorbereiten. Das ist nicht leicht. Die Griechen dürfen jetzt nicht als Beispiel herhalten, dass man sich doch irgendwie durchwursteln kann.

Zeigt das griechische Beispiel nicht auch, dass die Sanktionsmechanismen des Stabilitätspakts zu schwach sind? Sollte man nicht weitere Folterinstrumente einbauen?

Auch der reformierte Stabilitätspakt sieht für Mitglieder der Eurozone am Ende des Weges Sanktionen vor, wenn die Vorgaben des Paktes nicht eingehalten werden. Aber Sie haben Recht, bis zu diesem Punkt ist der Stabilitätspakt auf die Kooperation der Mitgliedstaaten angewiesen. Hier müssen alle Euro-Länder an einem Strang ziehen. Schließlich geht es ja um das Vertrauen in den Euro. Deshalb ist es entscheidend, dass Vorgaben des Paktes oder im Rahmen eines Defizitverfahrens eingehalten und umgesetzt werden. Auf Ankündigungen müssen auch Taten folgen. Hier könnte man durchaus darüber nachdenken, ob es ergänzende Mechanismen gibt, um dies frühzeitig zu gewährleisten.

Was schwebt Ihnen da konkret vor?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie mit Mitgliedern der Eurozone verfahren wird, die sich von Anfang an nicht an Auflagen halten. Der IWF zum Beispiel vergibt Finanzhilfen nur gegen klare Haushaltsvorgaben. Da in der Eurozone grundsätzlich keine Finanzhilfen vorgesehen sind, könnte es daher sinnvoll sein, Mitgliedstaaten bei der Formulierung von Konsolidierungsstrategien zu unterstützen.

– Ist es nicht enttäuschend, dass Griechenland erst reagiert, nachdem die Ratingagenturen gehandelt hatten? Die Rüffel zuvor in der Eurogruppe haben dagegen nichts gefruchtet. Sind die Ratingagenturen mächtiger als die versammelten Euro-Länder?

Wir haben die Griechen in unseren internen Beratungen mit großem Nachdruck immer wieder vor einer solchen Entwicklung gewarnt. Aber die Märkte reagieren natürlich nicht auf interne Regierungsdebatten, sondern nur auf konkrete Bonitätsnoten. Ich halte die Ratingagenturen in diesem Fall nicht für zu mächtig, gleichwohl sind die Bestimmungsfaktoren ihres Verhaltens stets zu hinterfragen, da sie mit ihrer Arbeit ja wirtschaftliche Interessen verfolgen. Ich warte auch immer noch auf das Eingeständnis der Ratinganalysten, die Krise mit verursacht zu haben. Die Fehler sind ja nicht nur in Banken, sondern eben auch von Ratingagenturen gemacht worden. Deshalb sind wir uns in Europa auch einig, sie stärker zu regulieren. Ich würde mir auf diesem Markt zudem noch einen etwas stärkeren Wettbewerb wünschen.

Und wer soll das überwachen?

Wünschenswert wäre eine Aufsicht im G 20-Rahmen, etwa beim IWF. Solange wir aber keinen globalen Konsens haben, sollten die Europäer gemeinsam Regelungen verabreden. Man kann etwa den Zugang zum europäischen Markt regulieren. Bei globalen Entwicklungen haben wir Europäer nur dann eine Chance, wenn wir gemeinsam handeln.

Was halten Sie von der Gründung einer eigenen europäischen Ratingagentur, um dem US-Oligopol etwas entgegenzuhalten?

Ja, gern! Aber wer soll sie aufbauen? Die Börsen-Zeitung? Der Staat sollte diese Aufgabe jedenfalls nicht übernehmen. Aber sollte sich eine solche europäische Ratingagentur auf dem Markt etablieren, würden wir dies natürlich begrüßen.

Wir schaffen es ja nicht einmal, in der Finanz- und Bankenaufsicht mit einer Stimme zu sprechen und eine wahre europäische Regelung zu finden. Wie soll das dann bei Ratingagenturen klappen?

Eine europäische Aufsicht ist immer auf die nationalen Institutionen angewiesen. Deshalb geht es darum, die Zuständigkeiten zwischen der europäischen und nationalen Ebene so zu verteilen, dass sie am besten zusammenspielen. Die jetzt gefundene Lösung geht in diese Richtung. Und ich bin zufrieden.

Und bei der Optimierung der nationalen Aufsicht setzen Sie auf die Bundesbank und lassen darin die BaFin aufgehen? Ist das wirklich der richtige Weg?

Ich habe mit Bundesbankpräsident Axel Weber vereinbart, auf der Basis der jetzt gefundenen europäischen Grundsatzentscheidung ein gemeinsames Konzept zu entwickeln und mich erst nach dessen Fertigstellung darüber zu äußern.

Wann gehen Sie damit an die Öffentlichkeit?

In den ersten Monaten des neuen Jahres wird es erste Ergebnisse der Zusammenarbeit geben.

Sie betonen, dass Europa nicht ohnmächtig ist, wenn es zusammen agiert. Bei der Debatte um die Bonus-Besteuerung reichen sich London und Paris die Hand. Fühlt sich Berlin da nicht isoliert?

Überhaupt nicht. Wir haben im G 20-Rahmen strenge Vergütungsregelungen für Bankmanager beschlossen. Denn die Krise hat uns gelehrt, dass wir Anreize für eine allein kurzfristige Gewinnmaximierung beseitigen müssen. Dies setzen wir in Deutschland konsequent durch. Aber es steckt noch ein anderer wichtiger Aspekt in der Debatte: die Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz. Für den Durchschnittsbürger auf der Straße, und vor allem für jene, die Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, sind die hohen Boni der Banker nur schwer zu ertragen. Wenn US-Präsident Barack Obama unlängst betonte, dass er nicht angetreten sei, einem Haufen Bonzen an der Wall Street auszuhelfen, dann spürt man da seinen ganzen Zorn.

Und wo bleibt der Zornesausbruch der deutschen Regierung?

Auch die Bundesregierung fordert, dass jene, die die Krise mit verursacht haben, ihre Lehren daraus ziehen müssen. Sonst geht das Grundvertrauen in die freiheitliche Ordnung verloren. Es kann ja nicht sein, dass alle Probleme nur durch eine strikte Regulierung behoben werden. Dann hätten wir den Sozialismus nicht abschaffen, sondern nur weiterentwickeln sollen. Ich glaube dagegen an die Überlegenheit der Freiheit, aber die setzt Einsicht und Verantwortungsbewusstsein voraus.

Haben sich die Banker nicht einsichtig gezeigt?

Weder in New York, noch in London oder Frankfurt ist bisher ausreichend Einsicht zu erkennen. Wenn ich mir das Gefeilsche um manche Abfindungszahlungen vor Augen führe, habe ich Zweifel daran, ob sie erkennen, dass sie größere Verantwortung tragen als ein einfacher Angestellter. Und dabei müsste ihnen auch aufgefallen sein, dass viele Banken nur deshalb wieder gut dastehen und hohe Boni ausschütten können, weil ihnen der Staat in der Krise zur Seite gesprungen ist. Wenn die Profiteure des Systems jetzt nicht freiwillig Zugeständnisse machen, werden sie einfach dazu gezwungen. Insofern haben London und Paris einen wichtigen Gedankenanstoß gegeben.

Zur Sicherung großer systemischer Banken hat Deutsche-Bank-Chef Ackermann einen Stabilisierungsfonds vorgeschlagen, der zumindest teilweise staatlich finanziert sein soll. Der Sachverständigenrat setzt sich für einen solchen Fonds ein – allerdings ausschließlich von den systemisch relevanten Instituten finanziert. Wie ist Ihre Position?

Ich stimme dem Sachverständigenrat zu. Der Finanzsektor muss an der Finanzierung dessen, was er verursacht hatte, beteiligt werden.

Zur Stabilisierung der Banken wurde auch der Vorschlag debattiert, die Auszahlungen von Dividenden zu stoppen. Steht diese Idee noch auf der Agenda?

Im Augenblick habe ich eher die Sorge, dass die Manager sich für wichtiger nehmen als ihre Shareholder. Vielfach werden Unternehmen von ihnen als eine Art Selbstbedienungsladen behandelt. Für meinen Teil müssten die Aktionärsrechte in diesem Punkt gestärkt werden. Eigentlich müssten das die Unternehmen selbst regeln. Aber wenn solche missbräuchlichen Entwicklungen ungehemmt weitergehen, muss die Politik handeln.

Viele Manager scheuen Selbstverpflichtungen, weil diese dann von anderen, die sich nicht gebunden haben, ausgenutzt werden …

. . . und dann wird auch gerne das Argument gebracht, dass man auf diese Weise die guten Manager nicht verpflichten kann oder sie zu anderen Unternehmen wechseln. Dann sage ich: Lasst sie doch gehen! Es hat sich bislang noch nicht gezeigt, dass deutlich höher bezahlte Manager auch in diesem Maße so deutlich besser sind als andere. Allerdings haben sich kürzlich die bedeutendsten Banken und Versicherungen in Deutschland selbst in einer entsprechenden Erklärung verpflichtet, die Managervergütungen schon ab 2009 nachhaltig auszugestalten. Das ist ein hoffnungsvolles Signal.

Ist der Finanzsektor nicht schon zu mächtig geworden?

Der Finanzsektor muss sich vor allem mit der Frage beschäftigen, ob er nicht zu selbstreferenziell geworden ist. Manche haben die dienende Funktion des Finanzsektors für die Volkswirtschaft als Ganzes vergessen und begreifen die Realwirtschaft als Erweiterung des Casinos. Die Banker sollten sich vor Augen führen, wie labil die Voraussetzungen für ihr Handeln sind, und über die Grundlagen ihrer Existenz nachdenken. Das Fundament ist der gesellschaftliche Grundkonsens. Das haben Generationen von Bankiers immer gewusst ob das alle Banker noch wissen, daran habe ich meine Zweifel.

Gilt diese Verantwortung auch für die Verhinderung einer Kreditklemme?

Da sind wir auf gutem Weg. Die kleinen Unternehmen können auf die Sparkassen und Genossenschaftsbanken zählen. Und auch bei den großen Unternehmen mit Zugang zu den Kapitalmärkten gibt es keine Probleme. Am ehesten scheint eine Kreditverknappung im größeren Mittelstand aufzutreten. Die KfW und die Banken können etwas zusätzlich tun. Und da zeigt sich, dass die ursprüngliche Idee, aus der Sparkassenorganisation heraus auch größere Institute zu gründen – wie die Landesbanken – nicht per se schlecht ist. In diese Richtung werden sich die Landesbanken, die an der Übertreibung ihrer Geschäfte gescheitert sind, auch konsolidieren.

Wir hatten zu Beginn unseres Gesprächs über die Haushaltskonsolidierung geredet. Noch immer schwebt die Forderung nach einer großen Steuerreform im Raum. Volkswirte, Steuerrechtler und Finanzbeamte bitten förmlich darum. Wenn kein Geld dafür aufgewendet werden kann: Ist dann eine aufkommensneutrale Reform zu machen?

Der politische Spielraum für aufkommensneutrale Steuerreformen ist unheimlich gering. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Eine Steuersenkung von 10 Euro wirkt auf den Betroffenen wie eine Petitesse, eine Steuererhöhung von 10 Euro wird dagegen als nahezu Existenz gefährdend betrachtet. Wenn Sie bei einer Steuerreform einen Großteil der Bürger nicht finanziell besserstellen können, haben Sie schon verloren. Für eine große Steuerreform brauchte man einen hinreichenden Entlastungsspielraum. Und den haben Sie nicht? Wir haben im Koalitionsvertrag eine klare Verabredung für 2011, gleichzeitig aber einen Zwang zur Konsolidierung im Grundgesetz – und Letzteres geht vor.

Das Interview führten Angela Wefers, Claus Döring und Stephan Lorz.