Brücke nach Deutschland und Europa



Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble beim 30. Bundestreffen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Für die Einladung zum 30. Bundestreffen danke ich herzlich. Wie Sie wissen, war ich über Jahre immer wieder Gast Ihrer Veranstaltungen, und so ist es mir eine besondere Freude, an diesem runden Treffen teilzunehmen und die Festrede zu halten. Im Verlauf ihrer beinahe 60jährigen Geschichte hat die Landsmannschaft zahlreichen Deutschen, die aus der Sowjetunion gekommen sind, zur Seite gestanden und ganz praktische Hilfe geleistet. Neben Ihrer wirkungsvollen politischen Arbeit haben Sie so auch immer einen Dienst am Menschen getan, der Ihrem Verband Glaubwürdigkeit und Gewicht verleiht. Und mit dieser Arbeit haben Sie es geschafft, über die Jahrzehnte bis heute einen wichtigen Teil deutscher Kultur zu bewahren. In einer Welt der Globalisierung, in der kulturelle Traditionen und Bindungen eher verloren zu gehen drohen, ist das ein besonderer Verdienst, den nicht nur die Russlanddeutschen, sondern auch viele andere Menschen – wenn auch leider nicht alle – in der Bundesrepublik Deutschland zu schätzen wissen. Ihre Arbeit, Ihre Erfolge und die Kontinuität Ihres Engagements, die sich in dem mittlerweile 30. Bundestreffen ausdrückt, sind ein Grund zur Freude.

Blicken wir in die jüngere Geschichte Deutschlands, so haben wir einen weiteren Grund zur Freude: Wir feiern dieses und nächstes Jahr die beiden großen Glücksfälle in der Geschichte der Bundesrepublik: 60 Jahre Grundgesetz und 20 Jahre Friedliche Revolution. Das Grundgesetz hat unserer Ordnung eine stabile, konsensfähige freiheitliche Grundlage gegeben. Der Fall des Eisernen Vorhangs hat den Russlanddeutschen die Chance eröffnet, nach schwierigen Jahrzehnten der Entbehrung in das Land ihrer Ahnen zurückzukehren. Ab den späten 80er Jahren haben Zehntausende, später bis zu zweihunderttausend jährlich, diese Chance genutzt. Für die Landsmannschaft war diese Zeit eine Bewährungsprobe, der sie sich vorbildhaft gestellt hat. Sie standen und stehen den Menschen, die nach Deutschland übergesiedelt sind, mit Rat und Tat zur Seite und ebnen so den Weg in unsere Gesellschaft. Mit großem Engagement bemühen Sie sich um ihre Integration. Diese Aufgabe ist nicht abgeschlossen. Es bleibt eine große Herausforderung, zwei bis drei Millionen Russlanddeutsche zu erreichen, besonders auch diejenigen, die bisher nicht organisiert sind. Dafür brauchen wir eine authentische Selbstorganisation, wie sie die Landsmannschaft leistet.

Der Fall des Eisernen Vorhangs hat die Rückkehr der Russlanddeutschen ermöglicht, und die friedliche Revolution in der DDR hat die Einheit unseres Volkes in Freiheit ereicht. Voraussetzung für die Wiedervereinigung war, dass wir diesen Weg über all die Jahre nicht gegen, sondern mit der internationalen Staatengemeinschaft gegangen sind. Am Ende war für die Deutsche Einheit die außenpolitische Dimension entscheidend: Die Sowjetunion musste zustimmen. Auch in Europa galt es, viele Länder erst davon zu überzeugen, dass ein größeres Deutschland keine Bedrohung sein würde. Dass diese Länder schließlich einwilligten, war nur möglich, weil die Versöhnungsarbeit in Europa weit genug fortgeschritten war und ein gefestigtes Vertrauen auf allen Seiten bestand.

Deutschland hat sich nach den Schrecken den Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges seiner Verantwortung gestellt, Versöhnung und Verständigung gesucht und so das Vertrauen gewonnen, das unsere Stellung in der Welt prägt.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in den vergangenen 60 Jahren auch immer zu der Verantwortung für die Menschen bekannt, die als Deutsche in der ehemaligen Sowjetunion mit am längsten unter den Folgen es Zweiten Weltkrieges zu leiden hatten. Es war und bleibt für uns eine historische und moralische Verpflichtung, Solidarität mit den Menschen zu üben, die Opfer der Diktaturen von Hitler und Stalin im 20. Jahrhundert geworden sind. Hitlers Überfall auf die Sowjetunion war ein Verbrechen. Dass Stalin an den Russlanddeutschen dafür Rache nahm, war ebenfalls ein Verbrechen, das zu unverschuldetem Leid geführt hat.

Die Russlanddeutschen haben am eigenen Leibe erfahren müssen, was es heißt, zwischen zwei Nationen zu geraten, die sich kriegerisch gegenüberstehen. Plötzlich wurden aus willkommenen Arbeitskräften und geachteten Leistungsträgern der Gesellschaft Feinde, allein ihrer Abstammung und ihrer Sprache wegen. Der Reichtum, den die Begegnung zweier Kulturen mit sich gebracht hatte, verkehrte sich in Hass und Tod. Die Russlanddeutschen waren Leidtragende in einem historischen Prozess, in dem gewachsene Vielfalt von Chauvinismus hinweggefegt wurde.

Obwohl sie am weitesten von Deutschland entfernt lebten, waren die Deutschen in der Sowjetunion am längsten von den Folgen des Zweiten Weltkriegs betroffen. Die über viele Jahre erheblich eingeschränkte Bewegungsfreiheit in den Deportationsgebieten, Repressalien im täglichen Leben, in der Ausbildung und im Beruf waren die Ursache von Leid und Not. An den Wolgadeutschen blieb so jahrzehntelang haften, was im Zweiten Weltkrieg vielen Millionen Russen widerfahren war.

Es ist wichtig, an die Ereignisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg, an die Entrechtung und Verfolgung der Russlanddeutschen unter Stalin zu erinnern. Denn man muss das Schicksal des Anderen kennen, um ihn zu verstehen. Wer vom hoffnungsvollen Aufbruch der Deutschen nach Russland und ihrem späteren Schicksal weiß, der hat großes Verständnis für den Wunsch, nach Deutschland zurückzukehren, um hier noch einmal von vorne zu beginnen. Vielen ist davon heute nur wenig bekannt.

Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland leistet für diese Erinnerung einen wertvollen Beitrag. Dafür danke ich Ihnen herzlich, auch im Namen der Bundesregierung.

Man kann das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Aber man kann aus der Geschichte lernen. Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen ist ein beeindruckendes Zeugnis hierfür. Nicht Revanchismus trägt sie, sondern der Glaube an die Zukunft, Europäertum und christliche Humanität.

Und so – auf der Grundlage von Humanität und Zukunftsperspektive – bilden die Russlanddeutschen eine wertvolle Brücke zum Verständnis des Anderen. Ob sie nun hier leben oder dort: Sie bauen eine Brücke in wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Hinsicht. Sie bauen uns eine Brücke zwischen Russland, der Ukraine, den Ländern Zentralasiens und Sibiriens auf der einen Seite und Deutschland und Europa auf der anderen Seite. Sie sind Kenner sowohl der deutschen wie auch der Lebensweise der Völker ihrer Herkunftsgebiete. Sie pflegen Kontakte und vermitteln zwischen Menschen und Kultur. Sie vermitteln nicht nur zwischen Deutschen und Russen, Ukrainern sowie den Völkern Zentralasiens und Sibiriens. Sie schaffen auch ein Band zu den Deutschen, die noch in den Herkunftsgebieten leben und denen wir verpflichtet sind.

Die Bundesregierung bekennt sich zu der Verantwortung sowohl für diejenigen Menschen, die als Deutsche in Ost- und Südosteuropa sowie in der Sowjetunion unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges gelitten haben und in ihrer jetzigen Heimat bleiben wollen, als auch für jene, die nach Deutschland aussiedeln. So hat es diese Regierung in den Koalitionsvertrag geschrieben und ich setze mich dafür ein, dass dieses Bekenntnis auch in zukünftigen Koalitionsvereinbarungen steht. Solidarität bedeutet nicht nur die Aufnahme derer, die nach Deutschland kommen, sondern auch die Unterstützung derjenigen, die in den Herkunftsgebieten ihre eigene kulturelle Identität erhalten wollen.

Seit 1990 sind fast 700 Millionen Euro in die Herkunftsgebiete geflossen, um die deutschen Minderheiten dort zu unterstützen und ihnen bessere Lebens- und Zukunftsperspektiven zu ermöglichen. 650 Begegnungsstätten und -zentren sind entstanden, um den Russlanddeutschen zu helfen, ihre Identität zu bewahren. Alle Förderung geschieht in guter Zusammenarbeit mit den Regierungen der Herkunftsgebiete. So fand gerade in der zurückliegenden Woche die 15. Beratung der deutsch-russischen Regierungskommission zu Fragen der Russlanddeutschen in Sibirien statt, an der auch Ihre Landsmannschaft durch zwei Vertreter beteiligt war. Es gibt eigene Förderprogramme der russischen Seite und gemeinsam finanzierte Projekte zur Förderung der Russlanddeutschen. Es ist besonders erfreulich, dass wir in diesem Jahr zusammen mit der russischen Regierung einen Partnerschaftskongress finanzieren und organisieren, in dem Russlanddeutsche, die nach Deutschland gekommen sind, und Deutsche, die in der Russischen Föderation leben, gemeinsam über den Bau von Brücken beraten.

Das Schicksal der Russlanddeutschen gehört zu der Gesamtheit der Erfahrungen, die wir Deutsche im 20. Jahrhundert gemacht haben. Sie sind Teil unserer heutigen Identität. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Leid, das Deutsche in der Folge des Zweiten Weltkrieges erlitten haben, ist in den letzten Jahrzehnten oft nicht einfach gewesen. Auch das Nachdenken über die eigene Geschichte und Herkunft als Deutsche scheint bei uns bis heute durch andere Fragen überlagert. Es gab und gibt Vorurteile, und es gibt alte Wunden, die noch nicht verheilt sind, vielleicht nie ganz heilen können. Aber deswegen dürfen wir dieses Nachdenken und auch die Erinnerung nicht verdrängen. Leid und Unrecht kann man nicht ungeschehen machen. Man kann sie auch nicht gegenseitig aufrechnen. Aber Leid und Unrecht sind besser erträglich, wenn sie als solche benannt werden.

Wer das Unrecht verschweigen möchte, das Deutschen in Russland und anderswo widerfahren ist, der verweigert auch die Anerkennung der Lebensleistung der Menschen, die nach Deutschland geflohen oder übergesiedelt sind. Ihr besonderer Beitrag für unser Land wird erst vor dem dunklen Hintergrund des Geschehenen, Erlittenen voll erfassbar. Umso wichtiger ist es, dass wir diese Leistungen anerkennen.

Die Russlanddeutschen haben sich um unser Land verdient gemacht, und sie tun das bis heute. Diejenigen, die nach dem Krieg kamen und bleiben konnten, haben unser Land mit aufgebaut. Dabei wurden sie – wie die Vertriebenen – vielerorts nicht mit offenen Armen empfangen, sondern eher mit Misstrauen, zum Teil auch mit Missgunst. Zum Teil müssen Russlanddeutsche jetzt noch diese Erfahrung machen. Dabei leisten sie auch heute Herausragendes in ganz unterschiedlichen Bereichen: So haben Helene Fischer und Julia Neigel als Sängerin Karriere gemacht. Ein gutes Beispiel sind außerdem die vielen Spitzensportler, für die ich als Bundesinnenminister auch zuständig bin: die Langstreckenläuferin Irina Mikitenko, die Boxer Vitali Tejbert, Ina Menzer und viele mehr. Sie alle sind eine Stütze unseres Spitzensports.

Bis heute bringen Russlanddeutsche Opfer für ihre deutsche Heimat. In den letzten acht Monaten sind Sergej Motz und Roman Schmidt in Afghanistan für unser Land gefallen. Beide kamen aus Familien, die den Leidensweg aller Deutschen in Russland gegangen und die schließlich nach Deutschland zurückgekehrt waren. Der 22-jährige Roman Schmidt hatte auf die Frage, ob er zu einem Militäreinsatz im Ausland bereit sei, geantwortet: „Ich gehe dorthin, wo man mich braucht.“ Selbst nach einer Verwundung blieb er in Afghanistan, weil er seine Kameraden nicht im Stich lassen wollte und weil er stolz darauf war, seinem Land zu dienen.

Im Gedenken an die Tapferkeit dieser jungen Männer, die für ihr – für unser – Land ihr Leben eingesetzt haben, ist es umso unverständlicher und bitterer, wenn es Menschen gibt, wenn es sogar ein ganzes politisches Lager in Deutschland gibt, das die Identität der Russlanddeutschen laufend anzweifelt.

Die Deutschen in Russland haben gelitten, weil sie trotz ihrer Loyalität zu Russland immer auch Deutsche geblieben waren. Sie sind hergekommen, weil sie hier als Deutsche leben und sich einbringen wollen. Wenn sie nun in das Land ihrer Ahnen zurückkehren, dann sind sie Deutsche unter Deutschen und nicht Teil einer russischsprachigen Diaspora.

Identität hat zweifellos mit Sprache zu tun. Und so wird den Russlanddeutschen oft entgegengehalten, dass sie die deutsche Sprache kaum oder nicht mehr sprechen. Dem ist zu entgegnen, dass dieser Sprachverlust nicht freiwillig war, sondern das Ergebnis gezielter Repressionen in der Sowjetunion. Man kann und darf den Menschen das nicht vorhalten. Zugleich ist es aber notwendig und wichtig, dass die deutsche Sprache von den Deutschen aus Russland nun gepflegt und wieder erlernt wird. Denn die Sprache ist von der Identität nicht trennbar. Nicht umsonst redet man umgangssprachlich davon, die „gleiche Sprache zu sprechen“. Damit ist nicht gemeint, irgendwie kommunizieren und sich verständlich machen zu können. Es geht dabei auch um geteilte Gefühle und Empfindungen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Russlanddeutschen sich die verlorengegangene Sprache wieder als Muttersprache zu Eigen machen. Deswegen sollten wir die Sprachanforderungen, die auch an Russlanddeutsche und ihre Familienangehörigen gestellt werden, nicht als unzumutbare Hürde empfinden. Sie sind eine Hürde, die aber zu bewältigen ist und die nur frühzeitig etwas einfordert, was ohnehin geleistet werden muss. Der Spracherwerb im Herkunftsland trägt außerdem dazu bei, in Deutschland vom ersten Tag an Fuß fassen zu können. Und er erhöht die Akzeptanz der Gesellschaft gegenüber den Übersiedlern.

Ich weiß, dass es immer auch Gegenargumente gibt. Ich möchte die Argumente dafür aber auch deshalb ins Bewusstsein rufen, weil ich bei den Spracherfordernissen ehrlicherweise keine Erleichterungen in Aussicht stellen könnte. Dafür gibt es keinen politischen Konsens. Das kann man beklagen, zu ändern ist es nicht. Wir müssen das Beste daraus machen. Deswegen möchte ich Sie vor allem in Ihrem Engagement für die deutsche Sprache bekräftigen und ermuntern, den Erwerb und die Pflege der deutschen Sprache weiterhin zu fördern – in Deutschland wie in den Herkunftsstaaten. Sie können stolz darauf sein, dass sich bei der Evaluation unserer Integrationskurse gezeigt hat, dass die russlanddeutschen Spätaussiedler zu den aktivsten und erfolgreichsten Teilnehmern der Sprachkurse gehören.

Wo wir dringend Lösungen finden müssen, sind die Härtefälle von getrennt lebenden Familien. Es gibt immer wieder Familientrennungen, weil Nachkommen von Spätaussiedlern, die nach Deutschland ausgereist sind, nicht nachträglich in den Aufnahmebescheid aufgenommen werden können. So ist es zum Beispiel nicht möglich, dass ein erwachsenes Kind eines Spätaussiedlers entgegen früheren Plänen – z.B. weil und nachdem der russische Ehepartner verstorben ist – mit den minderjährigen Kindern nach Deutschland zu den Eltern bzw. Großeltern übersiedelt. Selbst nach tragischen familiären Entwicklungen und Schicksalsschlägen können so die Nachkommen gehindert sein, zu ihren Eltern nach Deutschland zu ziehen. Gemeinsam mit dem Aussiedlerbeauftragten Dr. Christoph Bergner bin ich der Überzeugung, dass wir diesen Familien helfen müssen. Wir sind daher entschlossen, in der nächsten Legislaturperiode nach Lösungen zu suchen und diese politisch durchzusetzen. Dafür werden wir uns einsetzen.

Ein anderes Problem, das Sie alle kennen, ist die Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise und Bildungsabschlüsse, die in den Herkunftsgebieten abgelegt worden sind. Spätaussiedler haben zwar einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren. Anerkannt werden die Abschlüsse aber nur dann, wenn sie den Prüfungen oder Befähigungsnachweisen in Deutschland gleichwertig sind. Das ist nicht immer ganz einfach. Besonders Ärzte, Lehrer und Ingenieure stoßen immer wieder auf Schwierigkeiten, weil die ausländischen Qualifikationen den deutschen nicht zuordenbar sind oder weil aufgrund der ausländischen Ausbildung spezifisch deutsche Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die deutschen Zulassungsvoraussetzungen haben Berechtigung. Für die Qualität der Gesundheitswesen ist es wichtig, dass die Tätigkeit als Arzt an eine Prüfung und spezifische Zulassung anknüpft. Es ist aber nicht vertretbar, wenn es Regionen mit Ärztemangel gibt und die Menschen dort nicht ausreichend versorgt werden, obwohl es zugewanderte Ärzte gäbe, die ausreichend qualifiziert sind und bereit wären, sich in diesen Regionen niederzulassen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird daher – gerade auch im Hinblick auf die genannten Berufsgruppen – ein Konzept zur beruflichen Integration zugewanderter Akademiker erarbeiten und dabei besonderes Augenmerk auf die Anerkennung von Bildungsabschlüssen sowie die fachliche und sprachliche Nachqualifizierung legen. Es geht um rechtliche Rahmenbedingungen, Verfahrensabläufe und den Ausbau des Angebots für die Nachqualifizierung. Nachgedacht wird auch über alternative Strategien der beruflichen Integration ohne formale Anerkennung.

Es ist unser Ziel, dass die Russlanddeutschen nach ihrer Rückkehr in die deutsche Gemeinschaft zurückfinden. Dafür ist die Sprache ebenso wichtig wie berufliche Chancen. Das sind die beiden Schlüssel für Integration und gesellschaftlichen Aufstieg. Darum müssen wir uns alle bemühen – diejenigen, die wieder nach Deutschland kommen, und diejenigen, die schon hier sind. Die Rückkehrer müssen den größeren Teil des Weges gehen. Letztlich müssen sie die Sprache lernen, ihre Fähigkeiten von neuem unter Beweis stellen und auch Neues hinzulernen – und sie tun das erfolgreich, wie die jüngste Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung belegt. Auf der anderen Seite können und müssen aber auch wir als Aufnahmegesellschaft etwas tun, indem wir diese Bemühungen fördern, Angebote machen und Chancen eröffnen.

Es freut mich sehr, dass die aktuelle Studie des Berlin-Instituts gezeigt hat, wie erfolgreich sich die Spätaussiedler in Deutschland integrieren – gerade weil in den Medien oft ein anderes Bild gezeichnet wird. Wörtlich heißt es:

„Gute Integrationswerte – und das widerlegt zum Teil die öffentliche Wahrnehmung – weist die sehr große Gruppe der Aussiedler auf. Die Aussiedler sind mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand nach Deutschland gekommen. Sie finden sich relativ gut auf dem Arbeitsmarkt zurecht, und viele Faktoren weisen darauf hin, dass sie sich aktiv um die Integration in  die Gesellschaft bemühen. […] Auch in Sachen Bildung stehen die Aussiedler gut da. Ganz ohne Bildungsabschluss sind nur 3,3%. […] Erhebliche Erfolge sind in der 2. Generation zu verzeichnen.“

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es sich lohnt, die Spätaussiedler mit ganzer Kraft bei ihrer Integration in Deutschland zu unterstützen.

Ich danke der Landsmannschaft der Russlanddeutschen für ihre Unterstützung bei der Integration von Spätaussiedlern. Ich danke Ihnen auch für Ihren Beitrag zur Bewahrung der Identität der russlanddeutschen Volksgruppe. Mit Ihrer Arbeit erhalten Sie einen Teil deutscher Kultur lebendig. Allen Angehörigen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland möchte ich an diesem Tag für ihr nachhaltiges Engagement danken.

Ich wünsche Ihnen und uns allen eine fruchtbare Zukunft in Frieden und Vielfalt, in der wir ebenso offen wie umsichtig miteinander umgehen und so auf unserem Weg gemeinsam vorankommen.