„Wir haben das Schlimmste überwunden, aber es bleibt noch viel zu tun…“



Im Interview mit der BILD-Zeitung vom 18. November 2013 spricht der Bundesfinanzminister über Erfolge der europäischen Politik im Kampf gegen die Finanzkrise und die innenpolitische Situation in Deutschland.

BILD: Irland und Spanien wagen sich aus dem Schutz des Rettungsschirms: Ist die Euro-Krise jetzt vorbei?

Schäuble: Die erfolgreiche Beendigung der Programme in Irland und Spanien belegt, dass die europäische Politik, Hilfe an Reformen zu knüpfen, richtig und erfolgreich ist. Wir haben das Schlimmste überwunden, aber es bleibt noch viel zu tun …

BILD:… zum Beispiel in Griechenland. Müssen wir Griechenland doch noch mehr Schulden erlassen?

Schäuble: Griechenland hatte größere Probleme als alle anderen Krisen-Länder. Deswegen braucht es dort auch länger, bis das Land wieder auf eigenen Füßen steht. Daher haben wir schon bei Verabschiedung des aktuellen Programms und einmal mehr vor der Wahl gesagt, dass wir Mitte 2014 sehen werden, ob wir Griechenland nach dem Auslaufen des jetzigen Programms Ende 2014 noch einmal unter die Arme werden greifen müssen. Wenn es seine Hausaufgaben gemacht hat. Dabei würde es sich aber nur um einen sehr viel kleineren Betrag handeln, als das jetzt der Fall ist. Und das wird kein Schuldenschnitt sein. Wir haben Ende 2011 / Anfang 2012 einen gemacht und das reicht.

BILD: Wie wollen Sie verhindern, dass Europa wieder in die Krise schliddert?

Schäuble: Indem wir konsequent unsere Reformpolitik fortsetzen. Die Krisenländer müssen ihre Finanzen weiter ordnen, ihre Strukturreformen fortsetzen. Nur ein wettbewerbsfähiges Europa ist stark und immun gegen Krisen.

BILD: Und die Pleite-Banken?

Schäuble: Wir werden Haftungsregeln haben, die dafür sorgen, dass für den Fall, dass es noch einmal Probleme mit Banken geben sollte, die Eigentümer und die Gläubiger der Banken dafür einstehen müssen. Unser wichtigstes Ziel ist es, die Steuerzahler, gerade und auch die deutschen Steuerzahler, zu schonen.

BILD: Der IWF hat eine Vermögensabgabe für Europa vorgeschlagen, um Unterschiede auszugleichen. Eine gute Idee?

Schäuble: Sie wissen, dass wir Vermögenssteuern ablehnen. Und der IWF selber hat ja auch gesagt, dass er falsch verstanden worden sei und keineswegs vorschlagen wollte, dass wir Vermögenssteuern in Europa einführen.

BILD: Zur Innenpolitik: Nach den neuen Forderungen aus der SPD – denken Sie schon an Neuwahlen?

Schäuble: Wir haben ein völlig klares Wahlergebnis. Und jetzt ist es die demokratische Verantwortung von uns allen, damit gute Politik zu machen. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt. Neuwahlen halte ich für ausgeschlossen.

BILD: Treibt die SPD die Preise für die große Koalition zu sehr nach oben?

Schäuble: Die Wähler haben mit über 40 Prozent dem Programm der Union zugestimmt. Die Zustimmung für die Vorschläge der SPD war sehr viel niedriger. Und diese einfache Tatsache muss sich auch in dem Programm der großen Koalition niederschlagen. Aber so sieht das ja auch Herr Gabriel, wenn ich den SPD-Parteitag richtig verfolgt habe.

BILD: Ist der SPD-Mitgliederentscheid ein Fehler?

Schäuble: Die SPD steckt in einer schwierigen Situation. Das haben wir als künftiger Partner verstanden und respektieren das auch.

BILD: Auch an der Parteibasis der Union regt sich Widerstand gegen die Koalitionskompromisse. Was spricht dagegen, in Regionalkonferenzen die Mitglieder zu informieren und einzubeziehen?

Schäuble: Jeder aktive Politiker in der Union muss die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in seinem Wahlkreis erklären. Wir alle stehen in einem konstanten Kontakt miteinander, den Gremien und der Basis, nehmen von dort Fragen und Anregungen mit und tauschen uns ununterbrochen aus. Auf dieser Grundlage werden dann die Gremien ihre Entscheidung zu dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen treffen.

BILD: Gibt es für die SPD-Pläne überhaupt Geld?

Schäuble: Die Forderungen aller Koalitionspartner stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Darüber entscheiden am Ende die drei Parteivorsitzenden. Nicht zur Verhandlung steht allerdings unser Grundsatz: keine neuen Schulden, keine höheren Steuern. Dafür hat die Union schließlich die Mehrheit bekommen.

BILD: Es gibt immer neue Detail-Probleme bei der PKW-Maut. Bereiten Ihnen die Maut-Pläne der CSU Bauchschmerzen?

Schäuble: Eine PKW-Maut einzuführen, ist aus vielen Gründen nicht einfach. Und eines ist klar: Am Ende muss mehr rauskommen als man in das System steckt. Ich rede da aber meinem zuständigen Kollegen Peter Ramsauer nicht rein. Konsens ist allerdings, dass wir mehr in die Infrastruktur investieren wollen.

BILD: Wie wichtig ist es Ihnen, Finanzminister zu bleiben?

Schäuble: Ich mache diese Aufgabe gerne. Aber es ist vereinbart worden, dass die Personalentscheidungen ganz am Ende der Koalitionsverhandlungen, wenn man sich über alle Inhalte geeinigt hat, getroffen werden. Und ich bin ganz entspannt, was das Warten betrifft.

BILD: Sie sind seit 1972 im Bundestag: Bereuen Sie manchmal, so viel Zeit mit Politik verbracht zu haben?

Schäuble: Nein. Politik war immer ein wichtiger Teil meines Lebens, auch schon als Hobby vor dem Bundestag. Natürlich hätte ich mehr Geige spielen können. Ich war auch gerne Anwalt. Und heute denke ich manchmal: Ich hätte auch Spaß daran gehabt, Geschichte zu studieren. Aber so ist das Leben. Es bietet so viele Möglichkeiten – man kann nur einen kleinen Teil davon wahrnehmen. Hauptsache ist, dass das, was man tut, Freude macht. Und das ist der Fall.

BILD: Können Sie sich ein Leben ohne Politik vorstellen?

Schäuble: Ja. Aber solange ich geistig klar bin, wird mich Politik immer interessieren.