Umsetzung der Europäischen Bankenunion



Rede anlässlich der zweiten und dritten Lesung des Gesetzespakets zur weiteren Umsetzung der Europäischen Bankenunion am 6. November 2014 im Deutschen Bundestag

„Das Gesetzespaket zur Schaffung der Bankenunion, das wir heute verabschieden, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den Euro, die europäische Währung, nach der infolge der Finanz- und Bankenkrise entstandenen Euro-Krise zu stabilisieren. Wir waren in den letzten Jahren mit der Schaffung des Rettungsschirms und den Programmen für die Länder sehr erfolgreich. Die Finanzmärkte vertrauen der europäischen Währung bei allen konjunkturellen Schwierigkeiten in einem starken Maße. Bei der Schaffung einer Bankenunion ist die Trennung der Risiken im Bankensektor, die in der Entstehungsphase dieser Krise im Hinblick auf die Staatsverschuldung in der Tat eine Rolle gespielt haben – Herr Kollege Kindler, Ihre Äußerungen waren ein bisschen widersprüchlich -, ein zentrales Anliegen. Deswegen ist das, was wir heute schaffen, ein wichtiger Schritt. Ich habe noch nicht ganz verstanden, was Sie daran kritisieren. Es war völlig widersprüchlich, wie Sie hier argumentiert haben.

Wir ziehen zwei Lehren. Erstens: Mit der Schaffung der Bankenunion, mit der Schaffung einer Bankenaufsicht, die für die grenzüberschreitend agierenden, systemrelevanten Institute zuständig ist, machen wir den Euro stabil. Wir tun das übrigens im europäischen Rechtsrahmen; denn, Herr Kollege Kindler, mit der Demokratie ist es so: Sie macht nur Sinn, wenn sie mit dem Rechtsstaatsprinzip einhergeht. Deswegen müssen wir uns in Europa im Rahmen der Verträge an komplizierte rechtliche Grundlagen halten. Deswegen gibt es keine andere europäische Institution als die Europäische Zentralbank, die eine Bankenaufsicht machen kann, solange wir nicht eine Vertragsänderung zustande bringen. Das ist Tatsache; deswegen geht es nicht anders.

Wir müssen im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht darauf achten, dass bei der Europäischen Zentralbank die klare Trennung zwischen der Wahrnehmung der geldpolitischen Verantwortung, bei der sie unabhängig ist, auf der einen Seite und der Bankenaufsicht auf der anderen Seite erhalten bleibt, so wie es auf nationaler Ebene bei der bewährten Arbeitsteilung zwischen BaFin und Bundesbank immer der Fall war.

Zweitens: Wir können die Haftung in Europa nur insoweit vergemeinschaften, wie wir auch die Entscheidungszuständigkeit vergemeinschaftet haben. Auch da werden wir durch die europäischen Verträge begrenzt. In diesem Rechtsrahmen wäre es falsch, bei der Schaffung der Bankenabgabe einen anderen Weg als den zu gehen, den wir mit dem intergouvernementalen Abkommen gegangen sind. Wir wären übrigens bei der ersten Klage beim ersten Gericht in Europa damit gescheitert. Die Schaffung von Rechtsgrundlagen, die nicht rechtssicher sind, ist keine Lösung für Probleme, die Stabilität und Rechtssicherheit schaffen sollen. Deswegen Herr Kollege Kindler, möglicherweise haben Sie es nicht verstanden war es wichtig, dass es uns gelungen ist, sicherzustellen, dass das Werk, das wir heute für die Bankenunion zustande bringen, auf einer sicheren Rechtsgrundlage steht.

Ich muss nur für den Rest des Hauses und für diejenigen, die uns von außerhalb zuhören, ein Stück weit klarstellen, warum wir das so machen. Die Europäische Bankenaufsicht funktioniert seit dem 4. November. Wir hatten den Stresstest. Die Banken, die in die Aufsicht übernommen worden sind, sind durch die Bilanzprüfung und den Stresstest – das war eine gewaltige Anstrengung – sicherer geworden. Sie haben sehr viel mehr Kapital als während der Bankenkrise. Das ist ein wichtiger Erfolg. 25 Banken haben den Stresstest nicht bestanden. Davon hatten zwölf – darunter die einzige deutsche betroffene Bank -, weil sich der Stresstest auf die Bilanzzahl Ende 2013 bezogen hat, auf Anordnung der nationalen Bankenaufsicht – bei uns: die BaFin – bereits das Notwendige veranlasst, sodass lediglich 13 Banken in Europa einen zusätzlichen Bedarf haben.

Das Zweite, was wir mit diesem Gesetzespaket erreichen, ist, dass wir sicherstellen, dass in Zukunft nicht mehr der Steuerzahler haftet, dass also das, was man in der internationalen Sprache „Moral Hazard“ nennt, dass die einen die Geschäfte machen und die anderen nachher die Haftung dafür tragen, beendet wird. Deswegen haben wir die klare Haftungskaskade, wie es der Kollege Flosbach dargestellt hat: Zunächst haften die Eigentümer. Wenn die Eigentümer nicht ausreichen, dann haften die Anleger, die höhere Renditen und höhere Zinsen bekommen haben. Höhere Renditen haben etwas mit höherem Risiko zu tun. Wenn sich das Risiko einmal verwirklicht, ist das eben die Gegenseite. Deswegen ist diese 8-prozentige vorrangige Beteiligung von Eigentümern und Gläubigern der entscheidende Schritt sowohl in der europäischen Regelung, die für alle 28 Mitgliedsländer gilt, als auch in der Bankenunion für die Europäische Bankenaufsicht.

Darüber hinaus haben wir Regelungen. National haben wir schon einen Vorgriff gemacht: Seit 2011 haben wir das Gesetz. Jetzt schaffen wir es als eine Rechtsverpflichtung für alle europäischen Länder, dass die Banken selber Fonds aufbauen müssen, sodass dann, wenn eine Bank in Notlage ist, wenn die Bail-in-Fähigen, also die Beteiligungen von Eigentümern und bestimmten Anlegern, nicht mehr ausreichen, ein Solidarfonds der Banken die Haftung übernimmt. Für die Europäische Bankenunion machen wir das mit einem gemeinsamen Fonds, der im Wesentlichen durch die systemrelevanten großen Banken bezahlt wird. Deswegen haben wir erreicht, dass die Großzahl der Sparkassen und der Kreditgenossenschaften nur mit einer Pauschalsumme ihren Beitrag zu diesem Fonds leistet und dass dies eben nicht entsprechend den Regeln der Proportionalität wie bei den großen systemrelevanten Banken geschieht. Bis zu einer Bilanzsumme in Höhe von 1 Milliarde Euro müssen sie nur eine Pauschalsumme zahlen. Wir haben auch ein Optionsrecht eingeführt. Wir werden davon Gebrauch machen – darüber ist sich die Bundesregierung einig -, dass man die Grenze bis 3 Milliarden Euro anheben kann. Das heißt: Wir haben die Interessen der Kleinbanken geschützt.

Jetzt kommt der Punkt: Nach dem Bail-in haftet der Fonds. Nun bleibt die Frage: Was ist, wenn der Fonds das Geld noch gar nicht hat? Mit Ihrer These, nach der wir die intergovernmentale Abgabe und all die schönen Dinge nicht machen sollten, hätten Sie vom ersten Tag an, weil es den Fonds noch gar nicht gibt, die Haftung der Staaten vergemeinschaftet und vom Tage des Inkrafttretens an bei jeder anderen Regelung die Situation gehabt, dass der deutsche Steuerzahler am Ende für die Banken aller anderen europäischen Länder die Risiken getragen hätte. Deswegen haben wir darauf bestanden, dass die Haftung erst im Rahmen des Bankenfonds vergemeinschaftet wird, wenn die Beiträge eingezahlt sind, und nicht schon zuvor. Solange in den Fonds nicht einbezahlt ist, hat der Fonds keine schützende Wirkung. Das ist immer so im Leben. Erst müssen die Mittel in den Fonds einbezahlt werden; denn sonst bleibt das Problem: Wer haftet?

Wir haben gesagt: Solange die Mittel nicht einbezahlt sind, bleibt die Verantwortung bei den Mitgliedstaaten. Deswegen haben wir auch gesagt: So lange brauchen wir notfalls noch den SoFFin, damit jede Beunruhigung, jede Destabilisierung, jede Sorge in einer möglicherweise krisenhaften Situation von vornherein ausgeschlossen ist. Ich verstehe daher überhaupt nicht, warum Sie jetzt dafür plädieren, den SoFFin zu schließen. Das ist reine Polemik und sachlich überhaupt nicht zu begründen.

Sobald wir die Mittel in den europäischen Fonds – ich bin jetzt wieder im Bereich der Bankenunion einbezahlt haben, gibt es eine solidarische Haftung aller Banken, die der Bankenunion angehören, für die Risiken aller Banken. Es ist eben nicht mehr eine solidarische Haftung der Steuerzahler in Europa für die Fehler, die in anderen europäischen Ländern gemacht wurden; das ist der Unterschied. Die Solidarität im europäischen Bankensektor ist Teil der Bankenunion, aber eine Vergemeinschaftung der Haftung über das hinaus, was wir im Zuge des europäischen Rettungssystems vereinbart haben, ist das nicht.

Zur Frage der direkten Bankenrekapitalisierung. Sie haben uns, insbesondere mich, kritisiert. Das war, ehrlich gesagt, vom Niveau her auch nicht besser, Herr Kahrs das war ein bisschen vornehmer dahergeschwätzt , als das, was der Kollege von der Linkspartei zunächst gesagt hatte. Wir haben darauf geachtet, dass die direkte Bankenrekapitalisierung nicht zum Einfallstor wird, um durch die Hintertür doch die Haftung für die Bankschulden zu vergemeinschaften. Genau das war der Punkt.
Deswegen haben wir eine klare Haftungskaskade vereinbart. Sie funktioniert so: Wenn eine Bank notleidend wird, dann stehen zunächst Eigentümer und Gläubiger in der Pflicht. Danach kommt der Fonds, in den die Bankenindustrie, entweder die Mitgliedstaaten oder die Bankenunion, einbezahlt. Wenn das auch nicht reicht, dann haftet am Ende der einzelne Staat.

Wenn ein Staat aber nicht in der Lage ist, die Mittel dafür aufzubringen auch diese Situation gab es in den letzten Jahren , dann kann dieser Staat beim europäischen Rettungsschirm ein Hilfsprogramm beantragen. Es gelten die üblichen Regelungen, die Vereinbarung von Anpassungsprogrammen mit Überwachung und Ähnlichem mehr. Erst wenn auch das gar nicht mehr funktioniert, käme als allerletzte Möglichkeit theoretisch auch in Frage, dass sich der europäische Rettungsschirm selbst aber dann immer noch unter der Verantwortung des Mitgliedstaats mit den entsprechenden Anpassungsprogrammen an der Bank beteiligen würde in dem Sinne, dass er übergangsweise Eigentümer wird. Die Kaskade ist eindeutig so geregelt, dass der Haftungsfall sehr unwahrscheinlich wird; um es vorsichtig zu formulieren. Aber ohne die Möglichkeit, dass dies zumindest theoretisch enthalten ist, Herr Kollege Kindler und das ist der Widerspruch, den ich Ihnen vorwerfe, weil Sie es besser wissen , hätte es in Europa unter gar keinen Umständen eine Einigung über eine Bankenunion gegeben.

Ich gebe zu: Die Erwartungen der Kollegen in Europa waren sehr viel weitgehender. Deswegen ist es Unsinn, dass Sie uns auf der einen Seite vorwerfen, wir hätten die Verhandlungen auf europäischer Ebene erschwert, und auf der anderen Seite gegen die direkte Bankenrekapitalisierung polemisieren. Entweder das eine oder das andere.

Wir haben im Zuge der direkten Bankenrekapitalisierung gesagt: Wir gestalten das so schwierig und unwahrscheinlich wie nur irgend möglich. Darauf haben wir in den Verhandlungen geachtet. Wenn wir das geländegängiger gemacht hätten und wie mit den Geldern der Steuerzahler so umgegangen wären wie Rot-Grün, dann wäre es auf europäischer Ebene einfacher gewesen, das ist wahr. Aber wir haben es anders gemacht.

Ich sage es noch einmal: Wir haben ein sehr ausgewogenes Paket. Wir machen damit die Euro-Zone stabiler. Wir sorgen dafür, dass die Steuerzahler nicht mehr die Haftung für die Banken übernehmen. Wir schonen bzw. schützen die Besonderheit des deutschen Finanzsektors, die ihn stark macht. Es ist nämlich gut, dass wir nicht nur große Banken, sondern auch leistungsfähige Sparkassen und Kreditgenossenschaften haben. Wir tragen den Eigenheiten des deutschen Finanzsektors Rechnung. Wir sorgen damit insgesamt dafür, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, damit der Steuerzahler nicht mehr die Haftung für Risiken übernehmen muss, mit denen andere ihre Geschäfte gemacht haben. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzespaket. Wir machen Europa stabiler. Wir stärken Europa. Wir bringen Europa voran und sichern den Steuerzahler.“