„Terror nicht im Interesse der Kurden“



Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Passauer Neuen Presse

Deutsche Geiseln in der Hand von PKK-Terroristen: Haben Sie neue Erkenntnisse?

Schäuble: Die Bundesregierung arbeitet im engen Schulterschluss mit der türkischen Regierung und den Verantwortlichen vor Ort an einer Lösung. Mein Eindruck ist, dass die türkischen Behörden sehr umsichtig vorgehen. Die Rücksicht auf das Leben der Geiseln hat Vorrang. Ich hoffe, dass sie unversehrt und rasch wieder freikommen.

Wie wird die Bundesregierung auf die Forderungen der Entführer reagieren ?

Schäuble: Die Bundesregierung wird auf die Forderungen der PKK nicht eingehen. Wir betreiben keine Politik gegen das kurdische Volk. Terroristische Organisationen werden bei uns verboten. Das gilt auch für die PKK und den kurdischen Sender, dem wir im Juni die weitere Tätigkeit in Deutschland verboten haben. Die Bundesregierung ist nicht erpressbar.

Welche Rolle spielt die PKK heute in Deutschland?

Schäuble: Unsere Sicherheitsorgane leisten gute Arbeit. Wir dulden keine terroristischen Aktivitäten und Organisationen in Deutschland. Gewalt, Terror und Entführungen sind auch nicht im Interesse des kurdischen Volkes. Natürlich müssen die berechtigten Belange der Kurden berücksichtigt werden, in der Türkei und in anderen Ländern der Region. Terror schadet diesem Anliegen nur.

War es nicht fahrlässig von den Bergsteigern, in ein solches Gebiet zu reisen ?

Schäuble: Nein. Das Auswärtige Amt hat die Reisewarnungen jetzt auch verschärft. Andere, von deutschen Urlaubern bevorzugte Regionen der Türkei, werden aber als sicher eingeschätzt. Ich rate zu einem gewissen Maß an Gelassenheit. Wenn wir jetzt in übertriebene Aufregung verfallen, betreiben wir das Geschäft derer, die Menschen entführen, um mehr Aufmerksamkeit zu erreichen.

Unabhängig vom aktuellen Entführungsfall: Wie schätzen Sie derzeit die Bedrohung Deutschlands durch internationalen Terrorismus ein?

Schäuble: Wir müssen weiter wachsam sein, die Lage hat sich nicht entspannt. Deutschland ist in den Fokus des internationalen Terrorismus gerückt. Dafür gibt es viele Anzeichen. Aber auch hier handeln wir entschlossen und gleichzeitig unaufgeregt. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, aber wir haben schließlich gut arbeitende Sicherheitsbehörden.

Themenwechsel: Kritiker werfen Ihnen vor, Sie würden mit der Bundespolizei und dem BKA-Gesetz den Überwachungsstaat organisieren …

Schäuble: … das ist völliger Unsinn. Ich will keinen Überwachungsstaat einführen. Kritiker, die das unterstellen, blenden sich aus jeder ernstzunehmenden Debatte aus. Meine Aufgabe ist, die Freiheit zu verteidigen, aber die Bürger auch zu schützen!

Jetzt hält man Ihnen auch noch entgegen, Einbürgerungswillige mit einem Test diskriminieren zu wollen.

Schäuble: Hier wird ein Getöse veranstaltet, das lächerlich ist. Die Länder haben dem Bundesinnenministerium den Auftrag erteilt, einen bundeseinheitlichen Einbürgerungstest zu entwickeln. Den hat das renommierte Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen der Humboldt-Universität in Berlin für uns erarbeitet. Der Einbürgerungstest wurde bei mehr als 5000 Vergleichsgruppen getestet, Fachleute aus Bund und Ländern haben sich damit vertieft befasst. Es geht um ein Mindestmaß an Kenntnissen, das wir zur weiteren Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit machen. Ich halte den Fragenkatalog für hervorragend und angemessen. Es ist sicher nicht so, dass man mindestens ein Semester Staatsrecht studiert haben muss, um den Test zu bestehen.

Schließen Sie Änderungen aus?

Schäuble: Eine Überforderung der Einbürgerungswilligen kann ich bei bestem Willen nicht erkennen! Wenn es hier und da im Detail noch Änderungsbedarf gibt, den beispielsweise einzelne Länder im ersten Durchlauf noch nicht angemerkt haben, kann dies sicherlich korrigiert werden. Wer nicht in der Lage ist, diesen Test erfolgreich zu bestehen, dem fehlen substanzielle Voraussetzungen für die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber der Test ist ja schließlich beliebig oft wiederholbar.

Müssten nicht größere Anreize zur Einbürgerung geschaffen werden?

Schäuble: Wir brauchen keine Anreize für Einbürgerungen. Wer sich berechtigt in Deutschland aufhält, hat unter klaren Voraussetzungen die Möglichkeit, Deutscher zu werden. Aber wir drängen unsere Staatsangehörigkeit niemandem auf. Ich kann auch verstehen, dass es schwer fallen kann, eine bisherige Nationalität aufzugeben. Deshalb zwingen wir niemanden dazu. Die Entscheidung, Deutscher zu werden oder nicht, muss jeder selbst für sich treffen.

Die SPD fordert eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und eine Ausweitung der doppelten Staatsangehörigkeit…

Schäuble: Die SPD hat die jetzige Rechtslage mit beschlossen, auch die Optionslösung. Es gibt keinen Bedarf für eine generelle doppelte Staatsbürgerschaft. Doppel-Loyalitäten nutzen am Ende niemandem. Eine Reform der Reform wird es nicht geben.

(c) Passauer Neue Presse