Politische Verantwortung für einen leistungsstarken öffentlichen Dienst



Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble beim 7. Potsdamer Forum für Führungskräfte im öffentlichen Dienst

Das 7. Potsdamer Forum steht unter dem Motto „Mehr Lebensqualität durch hochwertige Dienstleitungen“. Nun sind bekanntlich die Vorstellungen darüber, was Lebensqualität ausmacht, von Mensch zu Mensch verschieden. Für viele von uns sind ein Leben ohne Existenzangst, in Gesundheit, eine glückliche Partnerschaft von großer Bedeutung. Gerade auch mit einem erfüllenden Beruf wird Lebensqualität vielfach verbunden.

Neben dieser eher persönlichen Facette bin ich als für den öffentlichen Dienst zuständiger Bundesminister besonders an der gesamtgesellschaftlichen Dimension der Lebensqualität interessiert. Was trägt der öffentliche Dienst zur Lebensqualität in einer Gesellschaft und ganz individuell der Menschen in unserem Land bei?

Gerechtigkeit und Chancengleichheit, Freiheit und Sicherheit, Fairness und Objektivität. Das sind Faktoren, die die Lebensqualität in einer auf Rechtsstaatlichkeit basierenden Gemeinschaft bestimmen. Der öffentliche Dienst trägt dazu bei, dass alle Bürgerinnen und Bürger einen gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Leistungen wie Bildung, Sicherheit oder Gesundheitsversorgung haben. In vielen Bereichen leisten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Tag für Tag im wahrsten Sinne des Wortes „gute Dienste“. Ohne den öffentlichen Dienst wären auch entschlossene, schnelle und kompetente Reaktionen zur Bewältigung von Krisen undenkbar. So hat sich der Staat mit dem nur in wenigen Tagen erarbeiteten und verabschiedeten Finanzmarktstabilisierungsgesetz, aber auch mit den Konjunkturpaketen I und II als verlässlicher Krisenmanager erwiesen. Hinter diesen Entscheidungen stecken Leistungen und Anstrengungen vieler Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes.

In solchen Zeiten besinnen sich die Menschen auf den Staat und den öffentlichen Dienst zurück. Während der Staat in konjunkturellen Hochphasen vielfach als Störfaktor wahrgenommen wird, erlebt er in Zeiten massiver Absatzeinbrüche, Not leidender Großbanken und wirtschaftlich angeschlagener Immobilienmärkte eine Renaissance. Der Ruf nach dem Schutzschirm des Staates wird dann oft gerade dort laut, wo von denselben Personen zuvor Deregulierung gefordert wurde.

Das bestimmende Thema der letzten Monate war und ist die Wirtschaftskrise, deren Auswirkungen nicht nur die deutsche Volkswirtschaft noch lange Zeit beschäftigen werden. Die globale Finanzmarktkrise und der Einbruch der Weltkonjunktur, aber auch synchrone, hausgemachte Probleme durch verantwortungslose Spekulationen oder leichtsinnige Kreditvergaben stellen die Wirtschaftspolitik unseres Landes vor große Herausforderungen. Die aktuellen Wirtschaftsdaten lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich Deutschland in einer Rezession befindet. Doch die Finanzmarktkrise ist längst kein rein finanzwirtschaftliches oder wirtschaftspolitisches Problem mehr. Sie hat inzwischen auch eine ordnungspolitische und damit gesellschaftspolitische Dimension.

Wer hätte sich vor einem Jahr träumen lassen, dass der Staat milliardenschwere Rettungspakete für Banken schnürt und gewaltige Konjunkturpakete auflegt, um die Wirtschaft zu stützen? Der Deutsche Bundestag hat im März sogar ein Gesetz verabschiedet, das als ultima ratio eine Enteignung von Anteilen an Kreditinstituten zulässt. Diese wirtschaftliche Ausnahmesituation verdeutlicht, dass das staatliche Selbstverständnis durchaus anpassungsfähig und veränderbar ist. Staatsaufgaben lassen sich nicht dauerhaft und abschließend bestimmen. Sie sind im Rahmen der durch unsere Verfassung gemachten Vorgaben Änderungen und einem ständigen Wandel unterworfen, beeinflusst durch aktuelle Bedürfnisse und die Finanzsituation des öffentlichen Sektors.

Die Kernaufgaben des Staates wie der Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit, auch der notwendigen Infrastruktur sind unverzichtbar. Dazu gehört im Rahmen der Subsidiarität auch die Daseinsvorsorge. So muss der Staat die ökonomischen Lebensgrundlagen der Bevölkerung sichern. Keine Marktwirtschaft, kein Markt, schafft von allein eine Marktordnung und soziale Gerechtigkeit für die ökonomisch Schwächeren. Deshalb muss der Staat den ordnungspolitischen Rahmen für eine effiziente Wettbewerbs- und eine sozialverträgliche Wirtschaftsordnung vorgeben, und er muss sich bei Gefahren für die Bürger als Garant der sozialen und ökonomischen Lebensgrundlagen als Basis unserer Lebensqualität bewähren.

Der Staat und damit die politisch Verantwortlichen müssen nachhaltige Entscheidungen für das Gemeinwesen treffen und verantwortungsvoll handeln. Verantwortung ist stets mehrdimensional. Sie verweist auf das, was wir getan haben und auf das, was uns aufgetragen ist zu tun. Der Begriff ist also zugleich vergangenheits- und gegenwartsbezogen. Max Weber hat 1919 in seinem noch immer gültigen Essay „Politik als Beruf“ vom Verantwortungsgefühl gesprochen. Die sachliche Leidenschaft und ein distanziertes Augenmaß komplettieren nach Max Weber die drei wichtigsten Qualitäten eines Politikers.

Für mich bedeutet politisch verantwortlich zu handeln, das Land initiativ und richtungsweisend voranzubringen, zudem die politische Linie für die Angelegenheiten des Gemeinwesens ethisch korrekt mitzubestimmen und Entscheidungen auch im Interesse nachfolgender Generationen zu treffen. Der öffentliche Dienst bildet als ausführender Arm des Staates ein Rückgrat unserer Gesellschaft. Ohne eine unabhängige Justiz, effektive Sicherheitsbehörden und verlässliche Verwaltungen ist ein Staatswesen undenkbar. Der öffentliche Dienst trägt eine besondere Verantwortung für das Gelingen des gesellschaftlichen Miteinanders.

Auch in der gegenwärtigen finanziellen und wirtschaftlichen Krise nimmt der Staat seine Verantwortung entschlossen wahr. Ich warne gleichwohl vor dem Ruf nach einem allzuständigen Staat. Auf dem Weg zu den richtigen Lösungen halte ich es mit dem englischen Mathematiker und Ökonom John Maynard Keynes. In seiner „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ konstatiert er bereits 1935, dass die Schwierigkeit nicht darin liegt, neue Ideen zu entwickeln, sondern sich von den alten zu verabschieden.

Wir können jetzt keine blinde Staatsgläubigkeit gebrauchen. Ein grenzenloses Vertrauen in die staatliche Steuerungsfähigkeit und umfassende staatliche Intervention bleibt auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten falsch. Nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg kann besser durch Markt und Wettbewerb identifiziert werden. Aber dazu braucht es Rahmen, Regeln, Grenzen, die Gewährleistung von Chancengleichheit und sozialen Ausgleich. Chance und Risiko dürfen auch nicht voneinander getrennt werden, so wenig wie Rechte und Verantwortung oder Eigentum und Haftung.

Das Scheitern einzelner Marktteilnehmer hat es immer gegeben und wird es auch künftig geben. Unsere Ordnung hat dafür erprobte Verfahren, damit das Scheitern gemeinschaftsverträglich aufgefangen wird und sich die Folgen einer Insolvenz in Grenzen halten. Das Insolvenzrecht ist nicht auf Zerstörung, sondern auf den Erhalt von wirtschaftlichen Werten und Arbeitsplätzen ausgerichtet.

Wir dürfen auch jetzt nicht vergessen, dass die soziale Marktwirtschaft Grenzen für staatliches Eingreifen setzt. Nicht die soziale Marktwirtschaft als System hat versagt, sondern Menschen und Institutionen, die sich nicht an ihre Prinzipien gehalten haben. Was wir brauchen, sind gesetzliche Ordnungsrahmen und stabilisierende Maßnahmen, um der akuten Krise des Finanzmarktes zu begegnen und das Immunsystem der Märkte zu stärken. Im gesamtgesellschaftlichen Interesse muss die richtige Balance von Eigenverantwortung und staatlicher Steuerung erhalten bleiben. Ein Staat, der immer mehr intervenieren und regulieren soll, würde sich selbst überfordern, die Gesellschaft und die Bürger unterfordern, und am Ende Freiheit und Effizienz, also Wohlstand und soziale Sicherheit schwächen.

Die Finanzmarktkrise darf eine solide Haushaltsführung und die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht in Vergessenheit geraten lassen. Die Staatsfinanzen dürfen – auch im Interesse nachfolgender Generationen – nicht aus dem Ruder laufen. Wir müssen die Schulden weiter konsequent abtragen und, sobald es die wirtschaftliche Entwicklung wieder zulässt, den Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt fortsetzen. Deshalb ist es gut, dass es gelungen ist, eine Schuldenbremse im Grundgesetz zu verabreden. Wenn wir ab 2020 einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern haben, sollen die öffentlichen Haushalte soweit konsolidiert sein, dass sie weitgehend ohne die Aufnahme neuer Schulden auskommen. Das ist eine gewaltige Anstrengung. Sie ist aber nötig, um in einer Zeit glaubwürdig zu bleiben, die dem Staat das Eingehen immenser Verpflichtungen abverlangt. Nur so ist gewährleistet, dass wir auch in Zukunft handlungsfähig bleiben. Andernfalls verringern die wachsenden Schulden von Bund und Ländern die staatlichen Handlungsmöglichkeiten und beeinträchtigen damit letztlich Wachstum und Beschäftigung dauerhaft.

Die Ausweitung der US-Finanzkrise zu einer weltweiten Rezession hat eindrucksvoll gezeigt, wie stark die ökonomische Globalisierung vorangeschritten ist. Unsere Welt ist eng vernetzt und niemand kann aus den gegenseitigen Abhängigkeiten aussteigen. Diese globale Vernetzung bringt viele Vorteile. Aber das hat auch seinen Preis, und der wird gerade dann spürbar, wenn es nicht gut läuft. So wie der wirtschaftliche Boom in den vergangenen Jahren viele Gewinner hatte, vereint die Globalisierung die Länder auch auf der Verliererseite.

Auf die Globalisierung mit all ihren Folgen müssen sich Staat und Verwaltung einstellen. Mit der Verschärfung des internationalen Wettbewerbs stellen Leistungsfähigkeit, Qualität und Kosten der Verwaltung wesentliche Standortfaktoren dar. Nicht nur bei unternehmerischen, sondern auch bei privaten Entscheidungen für Investitionen spielen die Leistungen der öffentlichen Hand eine wichtige Rolle.

Unsere Gesellschaft ist auf dem Weg zu einer Informationsgesellschaft. Auf diese veränderten Rahmenbedingungen müssen wir uns einstellen. Staat und Verwaltung können die Chancen und Potentiale der Informationstechnik aktiv nutzen. Informationstechnologie und E-Government sind bereits heute feste Bestandteile des staatlichen Handelns. Die angestoßenen Projekte zeigen, dass die öffentliche IT sowie die darauf gestützten elektronischen Prozesse und Dienstleistungen den Praxistest bestanden haben. Ihr Mehrwert macht sich in der täglichen Arbeit bemerkbar und der Umgang damit wird selbstverständlich. Diesen Schwung gilt es aufzunehmen und das Reformtempo zu nutzen.

Ebenfalls ganz oben auf der politischen Agenda sind die Auswirkungen des demographischen Wandels auf unsere Gesellschaft, auch auf die Bundesverwaltung. Die niedrige Geburtenrate wird zu einem deutlichen Rückgang des Erwerbspersonenpotentials und der Fachkräfte auch in der Bundesverwaltung führen. Hinzu kommt die steigende Lebenserwartung. Zusammen führt das zu einer starken Verschiebung der Alterspyramide der Bevölkerung. Wir müssen uns daher in der Verwaltung auf zweierlei einstellen: Erstens auf den Wettbewerb mit der Privatwirtschaft um qualifizierte Nachwuchskräfte und zweitens auf die Erhaltung und Stärkung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der vorhandenen, älter werdenden Beschäftigten.

Mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz und der neuen Bundeslaufbahnverordnung haben wir die Weichen für eine leistungsstarke, zukunftsgerichtete Bundesverwaltung gestellt. Schwerpunkte der Neuregelungen im Beamten-, Besoldungs- und Versorgungsrecht sind die Förderung des Leistungsprinzips und der Mobilität zwischen Wirtschaft, internationalen Organisationen und Verwaltung. Mit Blick auf die demographische Entwicklung haben wir die Altersgrenzen schrittweise um zwei Jahre – wie im Rentenrecht – angehoben. Das Laufbahnsystem ist praxisgerecht modernisiert. Der Wechsel in den öffentlichen Dienst wird für Quereinsteiger mit Berufserfahrung aus der Privatwirtschaft attraktiver. Das ist insbesondere ein Angebot für naturwissenschaftliches Fachpersonal. Für Berufsanfänger ist von Bedeutung, dass das Laufbahnsystem für alle Berufsqualifikationen und Hochschulabschlüsse geöffnet wird. Damit wird der Bologna-Prozess im Hochschulbereich durch die Anerkennung von Bachelor- und Masterabschlüssen berücksichtigt. Jede Behörde kann damit entscheiden, welcher Abschluss den Anforderungen entspricht.

Im Besoldungsrecht wird mit der Neugestaltung der Grundgehaltstabellen das Senioritätsprinzip abgeschafft. Entscheidend für das berufliche Fortkommen sind nicht mehr das Lebensalter, sondern berufliche Erfahrung und anforderungsgerechte Leistungen. Herausragende Leistungen können wie bisher in Form von Leistungsprämie, Leistungsstufe und Leistungszulage honoriert werden. Teamleistungen können besser berücksichtigt werden. Wichtig ist jedoch, dass die bereit gestellten finanziellen Mittel auch genutzt werden.

Für die Tarifbeschäftigten des Bundes haben wir die leistungsorientierte Bezahlung in der Praxis, während die Länder in der letzten Tarifrunde das System des Leistungsentgelts – noch bevor es richtig angelaufen ist – gestrichen haben. Für die Bundesverwaltung haben wir uns in der letzten Tarifrunde für die weitere Stärkung der Leistungsorientierung im öffentlichen Dienst ausgesprochen. Wir werden die ersten Erfahrungen mit dem Instrument des Leistungsentgelts sorgfältig prüfen und führen dazu gerade eine Evaluation der tarifvertraglichen Leistungsbezahlung durch. Auf der Grundlage der Ergebnisse werden wir die Wirkungen und den Stand der Leistungsbezahlung analysieren und über das weitere Vorgehen entscheiden.

Die Grundstrukturen für das Statusrecht der Beamtinnen und Beamten der Länder und Kommunen sind unmittelbar und bundeseinheitlich geregelt. Im April ist das Beamtenstatusgesetz in Kraft getreten. Das ist die Folge der Föderalismusreform I. Die Länder haben nun die Kompetenzen für das Besoldungs-, Versorgungs- und das Laufbahnrecht. Wenn man das letzte Tarifergebnis betrachtet, sind die Unterschiede zwischen dem Bundesabschluss und dem Abschluss der Länder gar nicht so groß und finden nur hinter dem Komma statt. Es wird sich zeigen, wie die Länder die Möglichkeiten im Sinne einer modernen Personalpolitik nutzen und wie sie untereinander in einen produktiven, föderativen Wettbewerb treten ohne die Qualität öffentlicher Dienstleistungen zu gefährden. Ich glaube, dass Wettbewerb nicht schadet und die Länder in ihrer Verantwortung eher beflügeln wird. Schließlich ist eines der Prinzipien des Föderalismus die Vielfalt.

In jedem Fall aber sind mit der neuen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zugeordnet. Diese Aufteilung dient der Verbesserung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit beider Ebenen und erlaubt flexible Gestaltungsmöglichkeiten. Zu dieser Flexibilität gehört auch der Dualismus der beiden Statusgruppen der Beamten und Tarifbeschäftigten, an dem wir festhalten. Große einheitliche Systeme bringen nur scheinbar Effizienz, sind aber tatsächlich viel anfälliger für Störungen. Mit Diversifikation und strategischer Steuerung vermeiden wir Monokulturen, sind vorausschauend und bleiben in jeder Situation handlungsfähig.

Die Reformen müssen nun in der täglichen Praxis ankommen und umgesetzt werden. Mit zahlreichen Instrumenten der Dienstrechtsreform haben wir die Verantwortung der Personalverwaltungen und die Entscheidungskompetenzen der einzelnen Behörden gestärkt. Sie sind jetzt stärker als zuvor gefordert. 

Verwaltungsmodernisierung und Dienstrechtsreform sind eine Einheit auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Verwaltung. Denn alle Reformen können nur gemeinsam durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen das Ziel erreichen, Bürgern wie Unternehmen einen verlässlichen, kompetenten und effizienten Ansprechpartner für die staatlichen Leistungen zu bieten. Wir müssen deshalb den Wandel von der klassischen hoheitlichen Verwaltung zum bürgerorientierten, qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Dienstleister weiter vollziehen. Das Ziel sind Behörden mit Dienstleistungscharakter und nicht Dienstleister mit Behördencharakter.

Viele Einzelprojekte des Regierungsprogramms „Zukunftsorientierte Verwaltung“ sind bereits realisiert oder in der Pilotphase. Das Spektrum für bürger- und unternehmensfreundliche Verwaltungsdienstleistungen ist breit. Dazu gehört beispielsweise die einheitliche Behördenrufnummer D 115. Unter dieser Rufnummer erhält jeder Anrufer schnelle und verlässliche Auskünfte zu allen Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung. Was sich seit März im Pilotbetrieb in Modellregionen befindet, soll mittelfristig bundesweit möglich sein. Die 110 für die Polizei ist dann die 115 für deutsche Ämter.

Auch die einfache, verbindliche und vor allem sichere Lösung für die Zustellung elektronischer Post im E-Government und E-Business mittels De-Mail gehört zu unserem Portfolio. Der Gesetzentwurf zum Nachrichtenversand per De-Mail befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Ab November 2010 können zudem Behördengänge mit dem elektronischen Personalausweis online erledigt werden. Er ermöglicht eine Standardidentifizierung im Netz, so dass mit ihm im Internet rechtsverbindliche Unterschriften geleistet werden können.

Lebensqualität hat auch eine nach innen gerichtete Dimension. Lebensqualität am Arbeitsplatz gelingt durch attraktive Beschäftigungsbedingungen und ein motivierendes und kollegiales und menschliches Arbeitsklima. Sicherheit des Arbeitsplatzes, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und ein ausgewogenes Verhältnis von Karriere und Privatleben sind entscheidende Faktoren. Im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft kann der Bund hier ganz selbstbewusst mit den Vorzügen des öffentlichen Dienstes werben. Die Bundesverwaltung hat Arbeitsplätze mit Zukunft und ermöglicht interessante Karrierewege in den Bundesministerien oder ihren Geschäftsbereichsbehörden. Da gibt es vielseitige und abwechslungsreiche Aufgaben mit Bezug zum politischen Tagesgeschehen und im internationalen Kontext, die so nicht jeder Arbeitgeber zu bieten hat. Statt betriebswirtschaftlichen Zwängen und harter Profitorientierung zu unterliegen, erbringen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ihren Dienst im Interesse der Bürger und des Gemeinwohls. Das ist ein Gewinn für uns alle, dessen Marktwert nur schwer in Euro zu messen ist. Der Aufbau unseres Landes nach dem zweiten Weltkrieg wäre ohne die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ebenso undenkbar gewesen wie das Zusammenwachsen in Zeiten der Wiedervereinigung. Damals haben selbst die Manager großer Unternehmen zugegeben, dass sie es in ihren Unternehmen besser zustande gebracht hätten als die Verwaltungen von Bund, Länder und Kommunen geschafft haben. Im Übrigen macht das auch einen Reiz der Arbeit in der Bundesverwaltung aus, an solchen historischen Ereignissen und politisch bedeutsamen Prozessen mitwirken zu können.

Um die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Bundesverwaltung abzufedern, müssen wir neue, qualifizierte Beschäftigte hinzugewinnen. Der öffentliche Dienst ist dabei zunehmend auch auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund angewiesen. Wir brauchen Mitarbeiter, die Fremdsprachen beherrschen, sich in internationalen Gremien sicher bewegen und unsere Interessen dort erfolgreich vertreten können, also interkulturelle Kompetenzen besitzen. Aber auch das Leistungsvermögen der vorhandenen Mitarbeiter sollte gezielt genutzt werden. Insbesondere die Potentiale der weiblichen Beschäftigten sind noch nicht ausgeschöpft. Ziel muss es sein, Frauen an Führungs- und Leitungspositionen stärker zu beteiligen.

Für die Attraktivität der Verwaltung steht auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist nicht nur ein Modewort, sondern gelebte Wirklichkeit. Bewerber für den öffentlichen Dienst wissen dies zu schätzen und sehen darin ein Stück Planungssicherheit und damit Lebensqualität. Mein Haus hat bereits das Zertifikat „audit berufundfamilie“ der Hertie Stiftung erhalten, das uns ein breites Angebot an familienfreundlichen Maßnahmen wie flexible Arbeitszeitgestaltung, Teilzeitbeschäftigung und Telearbeit bescheinigt. Immer wichtiger werden künftig Arbeitszeitmodelle, die Männern und Frauen gleichermaßen die Balance von Familie und Beruf in allen Lebensphasen ermöglicht. Denn nach der Erziehung der Kinder kommt zunehmend auch die Pflege der Eltern als familiäre Aufgabe. 

Zu guten Arbeitsbedingungen gehört auch die aktive Gesundheitsförderung. Vor dem Hintergrund der verlängerten Lebensarbeitszeit darf nicht vergessen werden, besonderes Augenmerk auf die Gesundheit der Mitarbeiter zu legen, damit ihre Beschäftigungsfähigkeit bis ins hohe Alter erhalten bleibt.

Daher hat die Bundesregierung die behördliche Gesundheitsförderung zum Bestandteil ihrer Personal- und Organisationsentwicklung gemacht. Die frühzeitige und nachhaltige Förderung der Gesundheit und die Stärkung des Gesundheitsbewusstseins der Beschäftigten selbst sind Gegenstand der Modernisierungs- und Fortbildungsvereinbarung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Deutschen Beamtenbund. Eine „Gemeinsame Initiative zur Förderung des Gesundheitsmanagements in der Bundesverwaltung“ soll folgen. Darin wollen wir die Gestaltung der Arbeitsplätze und gesundheitliche Fördermaßnahmen, aber auch das Verhalten der Führungskräfte und der Beschäftigten für ihre Gesundheit zu einem ineinander greifenden Räderwerk ausbauen.

Eine wirkungsvolle Gesundheitsförderung können wir nur durch vereinte Anstrengungen erreichen. Aber ohne das Eigenengagement eines jeden Mitarbeiters für die eigene Gesundheit laufen alle Aktivitäten von Politik, Führungskräften und Gewerkschaften ins Leere. Der einzelne Beschäftigte muss erkennen, dass Gesundheitsförderung in seinem ureigenen Interesse ist und nur von ihm selbst ausgehen kann. 

Die Qualität des Arbeitslebens hängt auch von dem Ausmaß ab, in dem die Mitarbeiter wertgeschätzt und motiviert werden. Es ist eine Binsenweisheit, dass nur der, der sich am Arbeitsplatz wohl fühlt, auch gute Arbeit leistet. Neben den Kollegen kommt es dabei in erster Linie auf das Führungsverhalten an. Hier sind Sie, sehr geehrte Damen und Herren, in ihrer Funktion als Führungskraft gefragt. Die meisten von Ihnen tragen Personalverantwortung und leisten tagtäglich Führungsarbeit. Dabei muss man sich stets fragen: Was kann von den Mitarbeitern erwartet werden? Aber auch: Was zeichnet eine gute Führungskraft aus?

Mitarbeiter müssen fachlich und sozial kompetent sein. Von ihnen wird zu Recht gefordert, dass sie engagiert, leistungsstark und leistungsbereit sind. Schließlich stehen und fallen Reformen mit den Mitarbeitern, ihrer Veränderungs- und Leistungsbereitschaft und dem Willen, den Wandel der Verwaltung zu einem modernen Dienstleister aktiv mitzugestalten.

Lernbereitschaft gehört heute deshalb zu den Kernkompetenzen der Beschäftigten. Vor dem Hintergrund zunehmender Internationalisierung und des rasanten informationstechnischen Fortschritts ist berufsbegleitendes, kontinuierliches Lernen auch von denen notwendig, die ihre Ausbildung oder ihr Studium bereits absolviert haben. Da die Arbeitsverdichtung stetig zunimmt, sind Lernprozesse im Bereich neuer Arbeitsmethoden notwendig. Ob ein Mitarbeiter diesen Erwartungen an Leistung und Engagement entspricht, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Die Bedingungen am Arbeitsplatz spielen dabei ebenso eine wichtige Rolle wie die eigene Kompetenz und Motivation. Jeder Einzelne ist dafür verantwortlich, dass er die an ihn gestellten Anforderungen erkennt und die darin liegenden Chancen nicht zuletzt zur eigenen Weiterentwicklung nutzt.

Der Führung durch den Vorgesetzten kommt eine entscheidende Rolle zu. Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, dass der Führungsstil die Einstellung der Mitarbeiter zur Arbeit und ihren Leistungswillen massiv beeinflusst. Die besten Konzepte können nicht umgesetzt werden, wenn die Motivation der Beschäftigten fehlt. Aufgabe der Führungskräfte ist es, die Mitarbeiter richtig einzusetzen und zu motivieren. Dafür gibt es zwar auch die Instrumente der Leistungsbezahlung. Doch Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich: Statt monetäre Anreize überzubetonen, ist es wichtiger, die Führungskultur darauf auszurichten, dass sich die Beschäftigten für ihre Arbeit verantwortlich fühlen.

Um Mitarbeiter zu motivieren, müssen neben den Arbeitsbedingungen vor allem die so genannten weichen Faktoren stimmen: Wertschätzung und Respekt, Transparenz der Entscheidungen, eine offene Diskussionskultur und Unterstützung in der persönlichen Entwicklung und Karriere. Die Übertragung von Verantwortung und die Beteiligung an Entscheidungsprozessen wirken positiv: Dort, wo Mitarbeiter eingebunden und beteiligt werden, identifizieren sie sich mit den Arbeitsergebnissen und sind motiviert für die nächste Aufgabe. Eine zentrale Führungsaufgabe ist es, die Bereitschaft der Beschäftigten zur Veränderung wach zu halten. Die Führungskräfte sind gefordert, das als kontinuierlichen Prozess in der Verwaltung zu etablieren.

Mit Blick auf die demographische Entwicklung müssen besonders ältere Beschäftigte motiviert bleiben. Sie benötigen an unterschiedliche Lerntempi und Lernstile angepasste Weiterbildung. Und schließlich brauchen auch ältere Mitarbeiter noch Entwicklungsperspektiven. Ihr Potential sollte an ihren besonderen Fähigkeiten gemessen werden. Von dem reichhaltigen Erfahrungswissen können Jüngere profitieren. Ältere können als Mentoren den Jüngeren mit Rat und Tat zur Seite stehen ohne belehrend zu wirken. Die Führungskräfte sollten diese Unterschiede bei der Führung ihrer Mitarbeiter berücksichtigen.

Führungskräfte müssen auf gute und auf schlechte Mitarbeiter unterschiedlich reagieren. Schematische und uniforme Beurteilungen um des vermeintlich guten Arbeitsklimas willen gehen langfristig nicht auf und wirken auf leistungsstarke Mitarbeiter letztlich demotivierend. Hier können die neuen Regelungen zum Aufstieg in den Erfahrungsstufen konsequent angewendet werden. Die leistungsorientierte Bezahlung muss den richtigen treffen und transparent eingesetzt werden. Mitarbeitergespräche sind kein lästiges Übel, sondern ein Personalführungsinstrument, das die Verantwortung der Führungskräfte verdeutlicht.

Ich weiß, dass das leichter gesagt ist als getan. Wir brauchen aber Führungskräfte, die ihre Aufgabe kennen und zu einer ergebnisorientierten Führungskultur beitragen. Dazu gehören neben der fachlichen Qualifikation kommunikative Fähigkeiten und Verantwortungsgefühl für die anvertrauten Mitarbeiter. Führungskräfte müssen geschult werden, damit sie diese Aufgaben meistern.

Ein leistungsstarker und zukunftsfähiger öffentlicher Dienst ist nur durch gemeinsame Anstrengungen zu erreichen. Keine Gruppe kann sich hier aus der Verantwortung ziehen und auf den anderen zeigen.

Die Politik hat mit der Dienstrechtsreform die Rahmenbedingungen für ein modernes und zukunftsfähiges Dienstrecht geschaffen. Die Personalstellen und Führungskräfte sind nun gefordert, die rechtlichen Möglichkeiten in der Praxis einzusetzen. Die Mitarbeiter müssen mitgenommen und motiviert werden, damit die Leistungen der Verwaltung für den Bürger im Alltag sichtbar werden. Nur dadurch erfährt der öffentliche Dienst die Wertschätzung in der Gesellschaft, die er verdient.

Ich appelliere auch an die Beschäftigten in der Bundesverwaltung. Sie sind nicht nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Ohne ihre Leistungsbereitschaft und ihre Leistungsfähigkeit steht das ganze Uhrwerk still. Da wo sie dem Bürger persönlich gegenübertreten, muss dies kompetent und freundlich geschehen.

Und schließlich tragen die Gewerkschaften Verantwortung als Tarif- und Sozialpartner. Sie sind ein wichtiges Bindeglied zwischen den Beschäftigten und den Dienstherrn und Arbeitgebern. Der öffentliche Dienst wird von den Bürgern auch durch das Bild der Gewerkschaften wahrgenommen und sein Wert in der Gesellschaft danach gemessen. Es gilt daher nicht nur, das richtige Augenmaß zu finden, mit dem Positionen vertreten werden, sondern stets auch die gesamtgesellschaftlichen Belange mit zu berücksichtigen. Dieses Forum zeigt, dass Sie sich darum bemühen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und gutes Gelingen.