Pleite-Länder notfalls raus aus dem Euro!



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Bild-Zeitung

Von NIKOLAUS BLOME

BILD: Herr Minister, wir reden am Telefon, Sie sind im Krankenhaus. Wie geht es?

Wolfgang Schäuble: Zunehmend besser. Eventuell werde ich sogar so früh aus dem Krankenhaus entlassen, dass ich an der Euro-Gruppensitzung heute Nachmittag in Brüssel teilnehmen kann. Die Entscheidung fällt erst Montagmittag.

BILD: Kann man eine Euro-Krise vom Krankenbett aus managen?

Schäuble: Ich habe jeden Tag mit der Kanzlerin telefoniert, mit meinem Ministerium und ausländischen Partnern. Da ist es nicht langweilig geworden.

BILD: Ihr Vorschlag eines Europäischen Währungsfonds (EWF) hat Furore gemacht. Ist das nicht nur ein neuer Schuldentopf?

Schäuble: Der EWF ist nicht für Griechenland konzipiert, um das gleich ganz klarzumachen. Diese Krise jetzt müssen wir mit den existierenden Instrumenten lösen und die griechische Regierung verdient großen Respekt für ihre Spar-Anstrengung. Wer jetzt die Straße dagegen mobilisieren will, ist verantwortungslos.

BILD: Werden die EU-Finanzminister heute Griechenland Kredite zusagen?

Schäuble: Es gibt immer Gerüchte, vor solchen Sitzungen besonders. Aber es gibt keine neue Sachlage. Deshalb gibt es auch keine Veranlassung, heute Beschlüsse über finanzielle Hilfen zu treffen.

BILD: Wozu künftig überhaupt ein EWF?

Schäuble: Wir brauchen den EWF, weil wir strengere Regeln brauchen. Der Euro-Stabilitätspakt reicht nicht aus. Damals hat man die Möglichkeit, dass ein Euro-Staat zahlungsunfähig wird, nicht bedacht.

BILD: Strengere Regeln?

Schäuble: Intensivere Überwachung, schärfere Sanktionen. Wirdürfen uns nie wieder derart hinters Licht führen lassen. Nur so bleibt der Euro vertrauenswürdig. Dazu gehört auch die Überlegung, was man mit einem Euro-Staat macht, der beharrlich Regeln verletzt.

BILD: Bislang darf ja selbst der schlimmste „Sünder“ den Euro behalten …

Schäuble: … auch deshalb brauchen wir schärfere Regeln, d. h. im äußersten Notfall auch die Möglichkeit, dass ein Land, das seine Finanzen partout nicht in Ordnung bringt, aus dem Euro-Verbund ausscheidet. Eine solche Aussicht allein sorgt schon für eine ganz andere Disziplin.

BILD- Dazu müssten alle 27 Mitgliedsstaaten die EU-Verträge ändern auch die Länder, die fürchten müssen, als erste dran zu sein.

Schäuble: Wir wollen alle überzeugen. Das ist sicherlich mühsam und wird dauern. Aber wir müssen jetzt damit anfangen.

BILD: Und was sagt die Kanzlerin dazu?

Schäuble: Angela Merkel und ich sind voll auf einer Linie. Wir stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung für die Stabilität des Euro.

BILD: Die Griechen klagen über Finanzspekulationen gegen ihr Land. Kann die Politik das nicht stoppen?

Schäuble: Natürlich brauchen wir strengere Regeln, aber wir dürfen nicht überreagieren und Freiheit und Wettbewerb der Märkte ersticken, weil das die Wirtschaft lähmt. Zwischen „guten“ und „bösen“ Finanzgeschäften zu unterscheiden ist leider extrem kompliziert.

BILD: Sie resignieren?

Schäuble: Keineswegs. Wichtig ist, dass wir uns international auf wirksame Regeln einigen können. Dazu gehören umfassende Kontrolle, mehr Transparenz und die Möglichkeit, auch große Banken geordnet pleitegehen zu lassen. Außerdem wird die Bundesregierung noch im April eine Bankenabgabe beschließen, um die Finanzwirtschaft an den Kosten der Krise zu beteiligen.

BILD: Im Kabinett steht der Spar-Etat 201 1 an. Ziehen die anderen Minister mit?

Schäuble: Wie immer liegen die Ressortanmeldungen zunächst einmal über der Finanzplanung. Die meisten Fachpolitiker, auch Interessenverbände, haben viele gute Ideen für Ausgaben. Aber wenn wir nicht Schritt um Schritt bis 2016 die Neuverschuldung auf nahe null reduzieren, droht am Ende Inflation. Das ist das sozial Ungerechteste, weil es vor allem die Renten von Millionen Deutschen gefährdet. Das zu vermeiden ist alle Mühe wert.

(c) Axel-Springer AG, Berlin