Europäische Steuerzahler sollen nicht für Schulden in Zypern aufkommen



Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 19. März 2013 das Hilfspaket für Zypern verteidigt. Wie das Land seinen Eigenanteil von insgesamt sieben Milliarden Euro aufbringe, sei Sache der Regierung und des Parlaments in Nikosia.

Deutschlandfunk: Was ist gestern genau im Kreis der Euro-Gruppe beschlossen worden?

Schäuble: Wir haben gestern im Kreis der Euro-Gruppen-Finanzminister eigentlich nichts anderes beschlossen als Freitagnacht, Samstagmorgen, nämlich dass, um Zypern, das ja keinen Zugang zu den Finanzmärkten, oder praktisch keinen Zugang zu den Finanzmärkten mehr hat, zu helfen, es notwendig ist, dass die Summe, die auf die zyprische Staatsverschuldung dazu hinzukommt, weil wenn wir Zypern finanzieren, sind das ja zusätzliche Verpflichtungen auf lange Sicht für Zypern, dass die nicht über zehn Milliarden sein kann. Und das heißt bei einem Finanzierungsbedarf von rund 17 Milliarden, dass man rund sieben Milliarden davon bei den Eigentümern und bei den Anlegern bei den Banken braucht, weil sonst ist das unter gar keinen Umständen darzustellen. Der IWF hat auch immer gesagt, ein solches Programm, das kann man gar nicht verantworten.

Deutschlandfunk: Also dieser Eigenanteil bleibt, Herr Schäuble?

Schäuble: Ja klar!

Deutschlandfunk: Aber was ist mit dieser Grenze von 100.000 Euro?

Schäuble: Ja, schauen Sie, das ist eine Sache, die wird allein in Zypern entschieden. Am Freitag, Samstag war eine klare Position von Zypern, dass der Satz, der auf Anlagen – – Wissen Sie, wir reden immer von Sparern. Aber man muss doch einmal sagen: Das Problem von Zypern ist, dass dieses kleine Land bei seinen Banken ungefähr 70 Milliarden Anlagen hat. Und das sind natürlich zu einem großen Teil Leute, die wegen günstiger steuerlicher Regelungen und möglicherweise auch anderer Rahmenbedingungen ihr Geld in Zypern angelegt haben. Die Hälfte dieser Anlagen sind ja etwa von nicht zypriotischen Bürgern gehalten und da geht es nicht um 100.000, sondern um sehr viel höhere Summen. Und das Geschäftsmodell in Zypern hat dazu geführt, dass dieses Land nicht mehr zahlungsfähig ist. Und deswegen ist es natürlich klar: Das kann nicht ausschließlich in voller Höhe zulasten der europäischen Steuerzahler gezahlt werden. Das ist die grundlegende Frage. Wie Zypern das macht, ist eine Entscheidung Zyperns, nicht der Euro-Zone. Das muss ich schon sagen, weil hier ein völlig falscher Eindruck entstanden ist.

Deutschlandfunk: Aber ich zitiere mal aus der Erklärung der Euro-Finanzminister. Die Euro-Finanzminister sprechen sich dafür aus, …

Schäuble: …sind damit einverstanden, wenn die Summe erbracht wird. Wie die Summe auf die Anlagen verteilt wird, ist eine Sache Zyperns. Darüber muss Regierung und Parlament heute in Zypern entscheiden.

Deutschlandfunk: Ich wiederhole noch mal ganz kurz, Herr Schäuble. Die Euro-Finanzminister sprechen sich dafür aus, …

Schäuble: Ich weiß, was wir beschlossen haben, Herr Meurer.

Deutschlandfunk: Die Euro-Finanzminister sprechen sich dafür aus, Einlagen unter 100.000 Euro vollkommen zu garantieren.

Schäuble: Ja klar!

Deutschlandfunk: Ist das der Beschluss?

Schäuble: Das ist der Beschluss. Wir fordern jeden Staat auf, diese Einlagen zu garantieren. Deswegen ist es natürlich völliger Unsinn, das in eine Beziehung zu der Erklärung der Bundeskanzlerin zu stellen. Wenn die Bundesrepublik Deutschland zahlungsunfähig wäre, dann würde diese Garantie auch nichts nützen. Diese Garantie kann jede Regierung, muss jede Regierung geben, das ist europäisches Recht, dass die Sparer bis zu 100.000 Einlagen geschützt sind. Aber ein Land, das zahlungsunfähig ist, da hilft die ganze Garantie nichts. Deswegen ist es gut, dass wir eine Finanzpolitik in Deutschland betreiben, wo niemand auch nur im Entferntesten auf eine solche Sorge kommen kann. Das ist in allen anderen Ländern auch so. In Zypern ist das bedauerlicherweise nicht so. Und dann hilft es auch nichts, denn sonst müsste es irgendjemand sonst bezahlen. Und ich glaube, die Bereitschaft, die Einlagen russischer Investoren in Zypern in Milliardenhöhe zulasten der europäischen Steuerzahler zu retten, die Debatte wollte ich hören. Deswegen muss man darauf achten, wir haben klar gesagt: Es gilt natürlich die europäische Regelung, dass die Staaten verpflichtet sind, Spareinlagen bis zu 100.000 zu garantieren. Aber ein Staat, der zahlungsunfähig ist, da hilft dann am Ende auch die Verpflichtung nichts mehr, es sei denn, andere würden die Verpflichtung für ihn übernehmen.

Deutschlandfunk: Dieser Anteil scheint ja unstrittig zu sein, Herr Schäuble.

Schäuble: Nein, der ist überhaupt nicht unstrittig.

Deutschlandfunk: Strittig ist aber die Frage, wer ist denn auf die Idee mit den Kleinsparern gekommen. Die Zyprioten zeigen auf Sie, das Handelsblatt sagt heute Morgen, EU-Diplomaten sagen, Wolfgang Schäuble hat den zyprischen Präsidenten unglaublich unter Druck gesetzt.

Schäuble: Ja, weil ich gesagt habe, ohne einen Beitrag – das ist ja völlig unstrittig inzwischen -, ohne dass die Finanzierungssumme für Zypern auf höchstens zehn Milliarden begrenzt wird, ist ein Programm überhaupt nicht vorstellbar. Der Internationale Währungsfonds hat seit Monaten gesagt, wenn das nicht auf zehn Milliarden begrenzt wird, ist ein Programm überhaupt nicht darstellbar. Und natürlich hat der zyprische Präsident versucht, daran vorbei zu kommen. Da gab es keinen Weg und deswegen haben wir gesagt, wenn es ein Hilfsprogramm geben soll, dann muss dieser Betrag erbracht werden. Wie er von den Anlegern – – ich war, wir waren, der Internationale Währungsfonds, die Bundesregierung, immer für ein sogenanntes Bail-In. Das heißt, dass man oberhalb der Einlagensicherung, oberhalb der 100.000 Einlagen die Einlagen für die Verluste der Banken, die ja faktisch insolvent sind, haften lässt. Das wollte der zyprische …

Deutschlandfunk: Das hätte bei Weitem nicht genug gebracht, sagen die Zyprioten.

Schäuble: Doch! Das ist ja Unsinn. Das hat er abgelehnt, weil er geglaubt hat, er könne auch in Zukunft ausländisches Kapital auf zyprische Banken bekommen, die wegen günstiger steuerlicher und sonstiger Rahmenbedingungen ihr Geld in Zypern anlegen. Es fällt ja immerhin auf, dass ein Land mit einer relativ kleinen Bevölkerungszahl, einer kleinen Volkswirtschaft, in einem so hohen Maße Bankeinlagen von ausländischen Investoren anzieht. Und dieses Geschäftsmodell ist zahlungsunfähig.

Deutschlandfunk: Ich glaube, Ihre Motivation ist klar geworden, Herr Schäuble.

Schäuble: Herr Meurer, ich war im Gegensatz zu Ihnen dabei. Sie fragen mich auch, wie es war. Wenn Sie die Zeitungen der letzten Wochen gelesen haben, haben Sie gelesen, dass Deutschland, die Bundesregierung, wie der Internationale Währungsfonds – das haben übrigens auch alle Parteien im Bundestag gefordert -, dafür waren, dass die Verpflichtungen der zyprischen Banken durch die Anleger der zyprischen Banken und durch die Eigentümer getragen werden und nicht durch die europäischen Steuerzahler. Das wollte Zypern nicht und deswegen hat Zypern diesen Weg gegangen, hat Zypern diesen Weg vorgeschlagen und jetzt will das zyprische Parlament diesen Weg nicht gehen. Das kann ich gut nachvollziehen. Aber die Verantwortung dafür liegt nicht bei der Bundesregierung, sie liegt nicht bei den anderen europäischen Mitgliedsstaaten. Das ist eine Entscheidung Zyperns.

Deutschlandfunk: Okay. Nur gerade, weil viele andere und ich nicht dabei waren, Herr Schäuble, haben Sie darauf gedrängt, dass Bankguthaben mit einer Abgabe belastet werden sollen?

Schäuble: Ja, natürlich! Das sind die Einlagen. Wissen Sie, die Einlagen der Investoren sind Guthaben bei Banken. Und wenn diese sieben Milliarden nicht von den Anlegern gebracht worden wären, dann würden die europäischen Steuerzahler die Milliardeninvestitionen von ausländischen Investoren in Zypern zu finanzieren haben. Und das wollte ich hören. Es wäre doch völlig unverantwortlich! So ist das. Wer sein Geld in Ländern anlegt, wo er weniger Steuern bezahlt, vielleicht auch weniger kontrolliert wird, der trägt auch das Risiko, wenn die Banken dieses Landes nicht mehr zahlungsfähig sind. So war es übrigens auch in Island und in Irland vor einigen Jahren. Wir können dieses Risiko nicht auf den europäischen Steuerzahler übernehmen.

Deutschlandfunk: Sie haben ja auch das Echo mitbekommen, nicht nur in Zypern, auch hier in Deutschland, das sei ein Dammbruch, ein Tabubruch, da ist ein Rubikon überschritten worden.

Schäuble: Ja!

Deutschlandfunk: Haben Sie diese Reaktionen unterschätzt?

Schäuble: Das beruht auf dem Missverständnis, wir haben eine europäische Einlagensicherung. Sie gilt auch. Sie verpflichtet jeden Staat, die Einlagen bis zu 100.000 zu sichern. Aber das setzt natürlich immer voraus, dass der Staat zahlungsfähig ist. Das ist ja die Zahlungsunfähigkeit. Wenn ein Staat seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann oder wenn ein Schuldner seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann, dann nennt man das im bürgerlichen Leben insolvent. Und dann verlieren die Gläubiger Geld. So ist das leider. Deswegen sollte man vermeiden, dass die Staaten insolvent werden. Aber daran führt kein Weg vorbei und das ist die Lage. Die Berichterstattung hat bei den Menschen den falschen Eindruck erweckt, als seien damit die Einlagen auch in anderen Ländern nicht mehr sicher. Die sind sicher, aber immer unter der Voraussetzung, dass die Länder zahlungsfähig bleiben. In Deutschland muss sich diese Sorge wirklich niemand machen.

Deutschlandfunk: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk zu den Hilfen und Bedingungen, die an die Hilfe für Zypern geknüpft werden. Herr Schäuble, besten Dank und auf Wiederhören.

Schäuble: Gerne – auf Wiederhören.

Das Interview führte Friedbert Meurer.

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