Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der Bild am Sonntag



Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble in einem Bild am Sonntag-Interview vom 9. Dezember 2012 über SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, den Einbruch in seine Wohnung und die bittere Wahrheit über geplante Renten-Aufstockungen für ältere Mütter und Geringverdiener.

BILD am SONNTAG (BamS): Herr Schäuble, am Sonntag wird Ihr Vorgänger als Finanzminister, Peer Steinbrück, offiziell zum Kanzlerkandidaten der SPD nominiert. Sie kennen ihn aus der Zeit der Großen Koalition aus der Nähe. Kann Steinbrück Kanzler?

Schäuble: Wir haben in der Großen Koalition gut zusammengearbeitet. Aber die Frage stellt sich für uns nicht. Denn wir haben mit Angela Merkel die bessere Kanzlerin.

BamS: Steinbrück ist fünf Jahre jünger als Sie, hat aber schon zwei Millionen Euro mit Vorträgen und Büchern verdient. Beneiden Sie ihn?

Schäuble: Überhaupt nicht. Ich habe als Buchautor in der Vergangenheit auch schon gute Honorare verdient. Und Peer Steinbrück ist offenbar jemand, dem die Menschen gern zuhören. Ob Peer Steinbrück sich zu Anfang seines ersten Bundestagsmandats bewusst war, wie viel Arbeit darin steckt und inwieweit dies mit Nebentätigkeiten vereinbar ist, weiß ich nicht.

BamS: Haben Sie gegen Steinbrück schon einmal Schach gespielt?

Schäuble: Nein, aber ich bin auch so davon überzeugt, dass er der bessere Schachspieler ist.

BamS: Kann Steinbrück bei der Wahl Merkel schlagen?

Schäuble: Angela Merkel regiert erfolgreich. Das sieht man bei der Beschäftigung, beim Wachstum, bei der Haushaltskonsolidierung oder bei der Stabilisierung des Euro. Das findet bei den Bürgern zu Recht Anerkennung. Trotzdem muss man jede Überheblichkeit meiden. Eine Wahl ist erst um 18.00 Uhr am Wahltag entschieden und es sind noch mehr als 9 Monate bis dahin.

BamS: CDU und CSU lehnen eine Zweitstimmenkampagne für die FDP ab, die derzeit in allen Umfragen unter 5 Prozent liegt. Ist das nicht reichlich riskant?

Schäuble: Ich stehe seit jeher der Idee, Stimmen zu verleihen, kritisch gegenüber. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt die Idee von Zweitstimmenkampagnen auch verfassungsrechtlich schwierig erscheinen. Nach der Vorstellung unseres Grundgesetzes soll sich der Wähler klar für eine Partei entscheiden und nicht aus rein taktischen Gründen seine Wahl treffen.

BamS: Der CDU-Parteitag hat in dieser Woche beschlossen, dass Mütter, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben, in der Rente besser gestellt werden sollen als bisher. Wie viele Milliarden kann der Finanzminister dafür zur Verfügung stellen?

Schäuble: Meine Partei will damit eine Gerechtigkeitslücke schließen. Das wird nicht einfach, denn wir haben für die Sanierung des Haushalts sehr ehrgeizige Vorgaben und müssen dafür noch erhebliche Anstrengungen unternehmen. Im Haushalt 2013 sehe ich zurzeit überhaupt keinen Spielraum. Die Mindereinnahme von rund 700 Millionen Euro durch die Senkung der Zinsen beim ersten Griechenland-Paket und die Rückgabe der Gewinne der EZB durch deren fällig werdende Griechenland-Anleihen an Griechenland ist nur ein Element, das wir auffangen müssen.

BamS: Rentenministerin von der Leyen plant eine Lebensleistungsrente für Geringverdiener. Können Sie ihr denn Hoffnung machen?

Schäuble: Es ist die Aufgabe der Regierung und insbesondere der Arbeitsministerin, dafür zu sorgen, dass Menschen, die ein Leben lang arbeiten, am Ende besser gestellt sind als Menschen, die nie gearbeitet haben. Das macht Frau von der Leyen mit großem Engagement. Wir müssen dieses Problem vorrangig innerhalb des Rentensystems und des Arbeitsmarkts lösen. Um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten, brauchen wir jeden Euro dringend für Ausgaben in Bildung, in Infrastruktur und in Forschung, ansonsten bricht uns die Basis unseres Wohlstands unter den Füßen weg. Ja, es geht uns gut, aber wir müssen dafür auch einiges tun!

BamS: Sie meinen also: Ein ausgeglichener Haushalt ist wichtiger als mehr Gerechtigkeit in der Rente?

Schäuble: Wir dürfen nicht glauben, dass die derzeitige positive wirtschaftliche Lage automatisch auch für die Zukunft gesichert ist. Eine leistungsfähige Wirtschaft erfordert eine nachhaltige Finanzpolitik. Das ist mit keiner einmaligen Aktion zu erreichen, das muss auf Dauer ausgerichtet sein. Und deshalb sind gesunde Haushalte nicht die Idee sturer Finanzminister, sondern die Voraussetzung für Wohlstand und soziale Sicherheit und ohne diese gibt es auch keine Rentengerechtigkeit.

BamS: Im Haushalt des kommenden Jahres schlägt die Griechenland-Hilfe erstmals durch. Es geht um Geld, das eigentlich dem deutschen Steuerzahler zusteht. Wie hoch wird der Griechen-Soli ausfallen?

Schäuble: Wie viel das insgesamt kostet, kann ich noch nicht abschließend beurteilen. Aber noch mal: Dies ist kein Griechen-Soli. Wir hatten bislang Zinseinnahmen aus Griechenland. Und wir würden EZB-Gewinne aus deren früherem Programm zum Ankauf von – auch griechischen – Staatsanleihen haben. Diese Gewinne werden laut EZB bis in das Jahr 2035 insgesamt circa 10 Milliarden Euro betragen, das bedeutet für Deutschland insgesamt circa 2,7 Milliarden weniger. Und die Zinserträge, die bei der KfW wegfallen, machen circa 130 Millionen pro Jahr aus.

BamS: Ist das wirklich alles?

Schäuble: Wir müssen im Fall Griechenland auf Sicht fahren, weil man die künftige Entwicklung nicht genau vorhersagen kann, und weil wir den Druck auf Griechenland für weitreichende Veränderungen aufrechterhalten wollen. Deshalb geben wir die Hilfen nur Zug um Zug frei. Generell aber gilt: Die Vorteile, die wir aus der Währungsunion ziehen, sind viel größer, als alle Hilfen uns kosten. Auch deshalb sind wir gut beraten, diese Währungsunion zu stützen. Bisher ganz erfolgreich.

BamS: Eurogruppen-Chef Juncker will die Führung im Januar endgültig abgeben. Sie und Ihr französischer Amtskollege Moscovici gelten als Favoriten für die Nachfolge. Wer wird es?

Schäuble: In jedem Fall muss der neue Mann die Integration Europas weiter vorantreiben. Die Bundesregierung ist dafür, dass es einer aus dem Kreis der Finanzminister wird und eigentlich hat es sich sehr bewährt, wenn der Vorsitzende zwischen den unterschiedlichen Positionen vermitteln kann.

BamS: Die SPD sagt, Sie seien wegen Ihrer belehrenden Art völlig ungeeignet für den Job, in dem es auf Vermittlung ankomme…

Schäuble: So charmant im persönlichen Umgang mit unseren europäischen Nachbarn wie mein Vorgänger als Finanzminister ist nicht jeder…

BamS: Die EU wollte bis Ende des Jahres eine Bankenaufsicht durch die EZB schaffen. Dies ist diese Woche erneut nicht gelungen. Bleiben die Banken jetzt bis auf Weiteres unbeaufsichtigt?

Schäuble: Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir noch vor Weihnachten die rechtlichen Grundlagen für eine Bankenaufsicht schaffen. Deswegen treffen wir uns ja am Donnerstag schon wieder in Brüssel. Mit dem Aufbau dieser Aufsicht kann dann 2013 begonnen werden. Ganz wichtig ist dabei, dass an der Unabhängigkeit der EZB kein Zweifel aufkommt. Diese kann sich aber nur auf die Geldpolitik beziehen. Demgegenüber muss eine Bankenaufsicht demokratisch legitimiert und rechtlich kontrolliert sein. Die Lösung dieses Gegensatzes ist der Kern des Problems.

BamS: Geht es nicht im Kern darum, dass Italiener, Spanier und Franzosen sagen, man solle es mit der Unabhängigkeit nicht zu genau nehmen, Hauptsache, notleidende Banken können sich direkt aus dem Euro-Rettungsschirm bedienen…

Schäuble: Das wäre eine sehr gefährliche Entwicklung. Und darum wird die Bundesregierung sehr genau darauf achten, dass die vorrangige Verantwortung der EZB für die Geldstabilität nicht in Zweifel gezogen wird.

BamS: Schlagzeilen hat jüngst der Einbruch in Ihre Berliner Privatwohnung gemacht. Was ist da genau geschehen und sind die Täter ermittelt?

Schäuble: Soweit ich weiß, leider nein. Die Täter haben mit beträchtlicher Energie eine gesicherte Balkontür aufgebrochen und sich so Zugang zur Wohnung verschafft. Sie haben das Handy meiner Frau und noch etwas mitgenommen und waren scheinbar gerade dabei, den Schmuck zu durchsuchen, als meine Frau nach Hause kam und sie überraschte.

BamS: Das war nicht ungefährlich…

Schäuble: Meine Frau hat sich richtig verhalten. Als sie an der Türschwelle das Gefühl hatte, nicht allein zu sein, ist sie nicht in die Wohnung gegangen, sondern hat Nachbarn alarmiert. Dadurch ist sie nicht in Gefahr gekommen, und die Täter hatten Zeit abzuhauen.

BamS: Ein großer Erfolg war der Parteitag nicht nur für Angela Merkel, sondern auch für die Familie Schäuble. Sie wurden mit 92 Prozent ins Präsidium gewählt, Ihr Schwiegersohn Thomas Strobl sogar zum stellvertretenden Parteivorsitzenden. Wie mächtig ist die Familie Schäuble in der CDU?

Schäuble: Ha, ha, ha. Thomas Strobl, der Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, hat meine Tochter geheiratet. Und Thomas Strobl und ich arbeiten vertrauensvoll zusammen. Mit Macht einer Familie hat das nun wirklich gar nichts zu tun.

Das Interview führten Michael Backhaus und Roman Eichinger.

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