„Die Tatsache, dass weder die EU noch die Bundesregierung bisher eine Entscheidung getroffen haben, bedeutet: Sie kann positiv wie negativ ausfallen.“



Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble im Interview mit der „Bild am Sonntag“

BILD am SONNTAG: Griechenland braucht von der EU und vom IWF 45 Milliarden Euro. Lassen Sie bereits neues Geld drucken, Herr Finanzminister?

WOLFGANG SCHÄUBLE: Darum geht es nicht Griechenland benötigt neue Kredite. Damit dem Land auf den internationalen Finanzmärkten nicht durch überzogene Zinsen die Luft abgeschnürt wird und damit auch der Euro als Ganzes stabilisiert wird, wollen die Euroländer bilateral auf freiwilliger Basis und der IWF Kredite zur Verfügung stellen. Konkret würde das für den Bund die Kreditanstalt für Wiederaufbau machen. Und der Bund würde diesen Kredit wiederum garantieren. Es fließt also kein Geld aus dem Bundeshaushalt.

Die Zusicherung, dass kein Steuergeld benötigt wird, gilt aber nicht mehr, wenn Griechenland den Kredit nicht zurückzahlt

Das ist richtig. Aber die Griechen haben ein sehr ehrgeiziges Sparprogramm für 2010 in Kraft gesetzt und bereiten weitere harte Sanierungsprogramme für die nächsten Jahre vor. Das ist unverzichtbar und absolute Voraussetzung für eine Zustimmung der EU und Deutschlands zu den Hilfen für Griechenland. Denn dann können wir davon ausgehen, dass das Land die Kredite auch zurückzahlt.

Wie viel Steuergeld wird die Bundesregierung aufs Spiel setzen?

Wir setzen nichts aufs Spiel. Noch mal: Es geht um eine Garantie bis zur Höhe von 8,4 Milliarden Euro. Die werden wir nur geben, wenn Griechenland sich in Zukunft den harten Sanierungsschritten unterwirft, die jetzt mit dem IWF, der EU-Kommission und der EZB abgestimmt werden. Die derzeitigen Verhandlungen mit Griechenland müssen zu einem guten Ergebnis führen.

Wann konnte frühestens ein Risiko für den Bundeshaushalt entstehen?

Nach den bisherigen Planungen sollen in den nächsten drei Jahren Kredite gewährt werden, sofern die griechische Regierung die notwendigen Sanierungsschritte auch umgesetzt.

Die Griechen erwarten angeblich, dass die Hilfe in den nächsten Tagen fließt . . .

Das ist falsch. Griechenland will die nächste größere Anleihe voraussichtlich in der zweiten Maihälfte platzieren. Die Regierung in Athen hat den Antrag aber schon jetzt gestellt, weil sie weiß, dass wir für die Prüfung des Antrags Zeit benötigen.

Nach den Worten der Regierung steht die Stabilität des Euro auf dem Spiel Haben Sie da Oberhaupt eine andere Wahl, als dem griechischen Hilfeersuchen stattzugeben?

Die Tatsache, dass weder die EU noch die Bundesregierung bisher eine Entscheidung getroffen haben, bedeutet: Sie kann positiv wie negativ ausfallen. Abhängig ist sie allein davon, ob Griechenland den jetzt eingeschlagenen strikten Sparkurs in den kommenden Jahren fortsetzt. Das habe ich auch dem griechischen Finanzminister gesagt.

Wie sieht der Berliner Fahrplan in Sachen Griechen-Hilfe konkret aus?

Die Bundesregierung wird erst nach einer Zustimmung des Europäischen Rates entscheiden. Aber wir treffen natürlich unsere Vorbereitungen. So habe ich die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen für morgen Vormittag zu einem Informationsgespräch eingeladen. Damit verbunden ist die Bitte, ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Der Bundestag muss darüber entscheiden, ob wir die Kreditgarantien geben oder nicht.

Griechenland hat sich den Zugang zum Euro mit systematisch gefälschten Bilanzen erschlichen. Wer soll denen jetzt glauben, dass sie wirklich sparen?

Griechenland muss sich jetzt vollständig in die Karten gucken lassen. Das können wir jetzt im Gegensatz zu damals überprüfen. Griechenland zahlt jetzt den Preis dafür, dass es in den vergangenen Jahren über seine Verhältnisse gelebt hat.

Die CSU fordert Griechenland bereits auf , freiwillig zur Drachme zurückzukehren. Wie realistisch ist das?

Solche Forderungen helfen uns als Bundesregierung nicht weiter. Wir müssen im Rahmen der geltenden Verträge handeln. Wir verteidigen die Stabilität des Euro, denn Deutschland profitiert davon mindestens so stark wie alle anderen. Die Hilfe für Griechenland ist also keine Verschwendung von Steuergeldern, sondern die Wahrnehmung elementarer deutscher Interessen.

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