Der Bundesinnenminister anlässlich der Liegenschaftseinweihung des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamtes



Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble anlässlich der Liegenschaftseinweihung des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden

Nach einem ersten Rundgang, kann ich verantworten zu sagen: Es ist gut geworden. Planung und Umsetzung haben ihre Zeit gebraucht, aber ich habe den Eindruck, dass wir das Geld der Steuerzahler gut und verantwortungsvoll investiert haben und dass die Arbeit des Kriminaltechnischen Instituts, das ja auch schon vor dem Neubau einen nationalen und international hohen Standard hatte, in diesem Gebäude noch effizienter geleistet werden kann.

So sehr das Gebäude mit seiner Ausstattung dazu beiträgt, entscheidend für die Qualität der Arbeiten ist nach wie vor die Qualifikation, die Kreativität und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und für die freut mich natürlich ganz besonders, dass sie mit diesem neuen Kriminaltechnischen Institut auch den richtigen Rahmen haben. Denn eine moderne Ausstattung, ausreichend Platz, eine sinnvolle räumliche Organisation der Arbeitseinheiten, aber auch die richtige Atmosphäre sind die Grundlage für gute Arbeit.

Der Neubau bietet endlich genug Platz. Er schafft eine freundliche, die Arbeit fördernde Atmosphäre. Die Ausstattung der Räume genügt den hohen Anforderungen an eine moderne Kriminaltechnik. Dafür ist ein bedeutender Teil der rund 56 Millionen Euro, die der Bund investiert hat, in modernste Labortechnik und -einrichtung geflossen.

Die Voraussetzungen sind also geschaffen. Über die Wichtigkeit der Aufgaben und die Leistungen des Kriminaltechnischen Instituts ? und des Bundeskriminalamtes insgesamt ? muss ich Ihnen nicht allzu viel erzählen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, der Wahrheit auf die Spur zu kommen, und zwar in einem ganz wörtlichen Sinn: indem Sie unterschiedlichste Spuren untersuchen. Nicht selten lässt sich anhand kleinster, für einen Laien oft unsichtbarer Anhaltspunkte ? anhand einer Faser, einem ausgefallenen Haar oder einem einzelnen Laubblatt ? ein Tatgeschehen rekonstruieren oder auch ausschließen. Und oft hat das Kriminaltechnische Institut selbst das Analyseverfahren entwickelt, das den Dingen, etwa einem Haar, ihre Beweiskraft verleiht.

Diesen Sachbeweisen kommt eine zunehmend wichtige Rolle zu ? auch wenn aus dem römischen Recht der Grundsatz stammt: ?Die Königin der Beweise ist das Geständnis.? Wo aber keine oder keine wahrhaftige Aussage zu erwarten ist, hilft dieser Grundsatz nicht weiter. Und Kriminelle machen erfahrungsgemäß nur ungern Aussagen über ihre Aktivitäten. Wenn überhaupt, ist es oft erst die erdrückende Last der Sachbeweise, die einen Täter dazu bringt, ein Geständnis abzulegen. Und schließlich führen die Sachbeweise in vielen Fällen auch zur eindeutigen Entlastung von zunächst Tatverdächtigen.

Der Sachbeweis, die Arbeit des BKA insgesamt und des Kriminaltechnischen Instituts im Besonderen dienen nicht nur der Wahrheitsfindung und damit der Gerechtigkeit, sondern sie dienen dem freiheitlich verfassten Rechtsstaat, der auch die Aufgabe hat, Sicherheit zu gewährleisten. Der Rechtsfriede setzt Durchsetzung des Rechtsstaates voraus. Dazu gehört die Strafverfolgung ebenso wie die Prävention. In beiden Fällen muss sich der Rechtsstaat darum bemühen, Informationen zu erlangen und den tatsächlichen Sachverhalt so gut wie irgend möglich aufzuklären ? um sein Recht durchzusetzen und die Bürger zu schützen, vor Kriminalität ebenso wie vor falschen Verdächtigungen.

Dafür müssen die Sicherheitsbehörden die zur Verfügung stehende Technik nutzen, die sich rasant weiterentwickelt. Erstens, weil der technische Fortschritt viel zu einer möglichst genauen Aufklärung beitragen kann. Und zweitens, um mit den Tätern Schritt halten zu können. Mit jedem Fortschritt geht leider einher, dass er auch immer zum Bösen genutzt werden kann und zum Bösen genutzt wird.

Mit der Einführung des Internet ist die Internetkriminalität ? etwa in Form von Datenklau und Online-Betrug ? angestiegen und der klassische Handtaschendiebstahl zurückgegangen, das ist eigentlich wenig überraschend. Und natürlich nutzen Terroristen die unkontrollierte Anonymität des Internet, um sich zu vernetzen und miteinander zu kommunizieren. Mit diesen Entwicklungen müssen der Staat und seine Sicherheitsbehörden Schritt halten, wenn sie Sicherheit in unserer digitalisierten Welt gewährleisten wollen.

Jede Tatvorbereitung hat mit Kommunikation zu tun. Deswegen ist es wichtig auch zum Zwecke der Prävention in die Kommunikation eindringen zu können. Dazu brauchen wir die notwendige Technik und die Experten, die sie beherrschen und damit umzugehen wissen. Anders kommen wir den Übeltätern nicht auf die Schliche. Und natürlich brauchen wir auch die gesetzlichen Befugnisse, um dieses Know-How auf klaren, einwandfreien rechtlichen Grundlagen anzuwenden: nicht in Grauzonen, sondern unter eng begrenzten, nur durch den Gesetzgeber zu definierenden Voraussetzungen ? so funktioniert der Rechtsstaat.

Insofern ist es gut, dass eine lange Debatte durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgestern zu einem Abschluss gekommen ist. Ich bin durch die Entscheidung nicht überrascht, ich bin sehr zufrieden. Ich bin vor allen Dingen auch zufrieden, dass wir Klarheit über einige juristische Fragen gewonnen haben. So etwa bei der Frage, welche Grundrechte neuen Ermittlungsmaßahmen zuzuordnen sind und unter welchen Voraussetzungen diese erfolgen dürfen. Die Auffassung des Innenministeriums ist durch das Verfassungsgericht mit diesem Urteil bestätigt worden, so wie auch unsere Einschätzung bestätigt worden ist, dass der Schutz des Kernbereichs nicht bedeutet, dass sich der Staat blind und taub macht und möglicherweise kernbereichsrelevante Informationen in keinem Fall aufgezeichnet werden dürfen, sondern dass dieser Schutz auch dadurch erreicht werden kann, dass kernbereichsrelevantes Material vernichtet wird. Auch für diese Diskussion bringt das Urteil Klarheit.

Ich bin zuversichtlich, dass wir jetzt sehr zügig in der Ressortabstimmung die wenigen noch offenen Punkte klären, um den Entwurf für das BKA-Gesetz im Kabinett verabschieden zu können. Die Koalitionsfraktionen im Bundestag haben ihre Absicht erklärt, einen solchen Gesetzesentwurf zügig zu verabschieden, damit wir die Gesetzgebungskompetenz, die der Verfassungsgesetzgeber im Zuge der Föderalismusreform I dem Bundesgesetzgeber übertragen hat, nutzen. Danach kann abweichend von der Systematik des Grundgesetzes, die die Gefahrenabwehr als Sache der Länder erklärt, dem Bundeskriminalamt zur Abwehr von Gefahren aus dem internationalen Terrorismus eine Gefahrenabwehrbefugnis übertragen werden. Diese Befugnis wollen wir ausschöpfen. Dabei nimmt das Bundeskriminalamt den Ländern nichts weg, es ist keine Konkurrenz, sondern ergänzt und unterstützt die Länder bei ihren Aufgaben ebenso wie umgekehrt. Gerade das Kriminaltechnische Institut des Bundeskriminalamtes ist ein Beispiel dafür, wie gut die praktische Zusammenarbeit funktionieren kann, und zwar zwischen Bund und Ländern ebenso wie mit ausländischen Behörden.

Ich sage Ihnen zu, dass Sie ? soweit es in der Verantwortung des Bundesinnenministers liegt ? die notwendigen klaren Rechtsgrundlagen erhalten, damit Sie Ihre Arbeit in unser aller Interesse, im Interesse des freiheitlich verfassten Rechtsstaates der Bundesrepublik Deutschland, weiterhin so erfolgreich leisten können wie bisher. Für diese Arbeit möchte ich mich bei allen Beteiligten ausdrücklich bedanken. Es gibt ja gelegentlich eine verzerrte Darstellung, dass die Sicherheitsbehörden eine Bedrohung für die Freiheitsrechte in unserem Land seien. Die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern schützen die Freiheitsrechte. Der Staat bedroht weder Freiheit noch Sicherheit, sondern er schützt sie. Das ist seine ursprüngliche Aufgabe, die wir auch weiterhin erfüllen werden.

Der gute Ruf, den das Kriminaltechnische Institut schon vor der Einweihung des Neubaus hatte, beruht auf dem großen und breit gefächerten Wissen, dem enormen Engagement und der erforderlichen Findigkeit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dafür möchte ich mich bedanken.

Ebenso danke ich allen, die an der Planung und Errichtung dieses neuen Gebäudes mitgewirkt haben. Sie haben nun eine gute Wirkstätte, in der Sie weiterhin Gutachten auf höchstem Niveau erstellen und neue Forschungserkenntnisse für die Kriminalitätsbekämpfung gewinnen können.

Ich beglückwünsche die Stadt Wiesbaden und uns alle zu dem neuen Gebäude. Denn wenn wir ein noch leistungsfähigeres Kriminaltechnisches Institut haben, dann profitieren davon ja nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Ich wünsche allen, die hier arbeiten, viel Freude an dem neuen Gebäude und ? in unser aller Interesse ? bei Ihrer Arbeit viel Erfolg.