Der Bundesfinanzminister im Interview mit der ARD



Interview

ARD: Ich begrüße hier neben mir den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Herr Schäuble Sie haben gerade auch mit der Kanzlerin geredet. Wie beurteilt die Bundesregierung dieses Urteil? Ist das für Sie eine Erleichterung oder eine Bestätigung?

Schäuble: Es ist eine Bestätigung und wir haben ja immer gesagt, der Vertrag über den ESM oder auch der Fiskalvertrag entspricht in vollem Umfang dem Grundgesetz. Und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ja jetzt entschieden, dass eine summarische Prüfung ergeben hat, dass auch in der Hauptsache kein Verfassungsverstoß erkannt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Interpretation des Vertrages, wie die Bundesregierung immer gesagt hat auch verbindlich gemacht werden muss, das sich nämlich der deutsche Anteil auf 190 Milliarden Euro in jenem Fall begrenzt, das haben wir ja vorgetragen. Das ist im Übrigen in dem Entwurf der Leitlinien für den ESM auch so vereinbart, zwischen allen 17 Mitgliedstaaten.

Und das im Übrigen die Immunitätsrechte, die der Vertrag, wie für alle völkerrechtlichen Institutionen für die Mitarbeiter vorsieht, nicht den Unterrichtungspflichten des Deutschen Bundestages vorgeht. Auch das steht sogar in den entsprechenden deutschen Gesetzen, insofern ist es gut die Position der Bundesregierung, ist ausdrücklich bestätigt worden, jeder kann jetzt sicher sein, das verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Und der Respekt vor dem Verfassungsgericht führt jetzt hoffentlich dazu, das auch die Kläger in Zukunft nicht mehr behaupten, dieser Vertrag verletze das Grundgesetz.

ARD: Können Sie denn die 190 Milliarden Grenze garantieren?

Schäuble: Ja! Das steht so im Vertrag, man könnte es theoretisch anders interpretieren, wir haben diese Interpretation immer abgelehnt, wir haben – das Gericht sagt es im Urteil ausdrücklich – vorgetragen, das nach der Auffassung der Bundesregierung, ja aber auch die Auffassung aller anderen 16 Mitgliedstaaten der Eurozone ist. Deswegen steht es in dem Entwurf der Durchführungsbestimmungen für den ESM. Die allerdings formell erst beschlossen werden, wenn der ESM in Kraft tritt, ist das ausdrücklich noch einmal geregelt: Es begrenzt sich darauf, im Ergebnis für Deutschland, auf diese 190 Milliarden.

ARD: Glauben Sie, dass Sie nach diesem Urteil im Deutschen Bundestag noch eine größere Mehrheit bekommen? Glauben Sie eigentlich, dass dieses Urteil auf die Kritiker in Ihren eigenen Reihen eher besänftigt hat? Man hatte heute Morgen nicht den Eindruck.

Schäuble: Ich sage noch einmal, das Bundesverfassungsgericht hat ja die Aufgabe und die Funktion und das hat ein hohes Vertrauen, Gott sei Dank, in der Bevölkerung zu prüfen, ob etwas das Grundgesetz verletzt. Und wenn das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, müssen alle diese Entscheidung respektieren. Das gilt für die Bundesregierung, das gilt für den Bundestag aber es gilt natürlich auch für die Kläger, denen das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, eure verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht begründet.

ARD: Es gibt aber auch den Vorwurf, das Sie, dadurch das die EZB jetzt Ankäufe machen kann, in unbegrenzter Höhe, dass das ein Umweg ist. Eigentlich um eine monetäre Staatenfinanzierung zu machen und das Sie sich damit ja eigentlich nur Zeit kaufen, bis zur Bundestagswahl. Diesen ESM-Vertrag gar nicht benötigen.

Schäuble: Mit Verlaub, das Bundesverfassungsgericht hat sehr lapidar gesagt, dass eine hat mit dem anderen nichts zu tun! Die EZB ist unabhängig, sie hat ein eigenes Mandat, das nur auf die finanzielle Liquiditätsversorgung der Eurozone unter Gewährleistung der Geldwertstabilität ausgerichtet ist. Staatsfinanzierung würde das Mandat der EZB sprengen. Die EZB wird in ihre Unabhängigkeit ihr Mandat immer achten und sie hat das auch mit ihrer Entscheidung am vergangenen Donnerstag getan. Ich habe das in meiner Haushaltsrede gestern ausführlich begründet. Das Herr Trittin das Gegenteil sagt, mag auf Nichtkenntnis zurückzuführen sein, vielleicht auch darauf, dass er eben polemische Verunsicherung schüren will. Die EZB wird nicht Staatsfinanzierung betreiben. Und die Politik hat die EZB zu gar nichts veranlasst, sie schiebt auch gar nichts ab, die EZB ist für die Geldpolitik zuständig. Und die Politik ist verantwortlich für die Finanz- und Wirtschaftspolitik. Und genau das halten wir sorgfältig auseinander.

ARD: Dennoch die Bürger haben Sorge, natürlich über ihr Geld. Der spanische Ministerpräsident Rachoy hat nun gesagt: „Wenn ich unter einen Rettungsschirm gehen sollte, dann mach ich das aber ich lass mir keine Bedingungen aufschreiben!“. Sehen Sie solche Ausführungen eigentlich eher kontraproduktiv?

Schäuble: Also jeder macht in seiner Verantwortung seine Aussagen. Die Regeln für europäische Hilfsprogramme sind sehr klar. Und wenn wir über ein europäisches Hilfsprogramm auch nur verhandeln, muss zunächst der Deutsche Bundestag zustimmen. Und diese Regeln sind eindeutig vereinbart und sie gelten für alle und es muss niemand daran zweifeln. Die Bevölkerung ist zutiefst verunsichert, das ist klar. Umso wichtiger ist, dass man diejenigen, die politische Verantwortung tragen, das gilt auch für Oppositionsführer, sie nicht durch absurd falsche Behauptungen zusätzlich verunsichern. Die Regeln sind eindeutig und das Verfassungsgericht hat klar gestellt, sie verletzen in keiner Weise das Grundgesetz.

ARD: Heute gab es ja einen anderen Ort, indem über Europa geredet wurde in Straßburg. Herr Braroso hat eine Rede gehalten und er hat da nochmal ganz klar, die Bankenunion gefordert, auch eine Bankenkontrolle der EZB über alle Banken in Europa. Das glaube ich, wird nicht auf Gegenliebe weiterhin der Bundesregierung stoßen, oder?

Schäuble: Die Kommission wird ja ihre Vorschläge beschließen. Dann werden sie präsentiert werden beim Finanzministertreffen am Freitag. Wir haben ja gesagt, wir wollen eine solche europäische Bankenaufsicht, sie ist Voraussetzung dafür, dass Banken direkt aus den Rettungsschirmen finanziert werden können, aber auch dafür müssen übrigens zunächst Anpassungsprogramme mit den Staaten verhandelt werden. Auch das habe ich gestern noch einmal klargestellt. Jetzt werden wir uns die Vorschläge im Einzelnen anschauen. Auch die EU-Kommission geht natürlich davon aus, dass man nicht in einem ersten Schritt alle 8000 Bankeninstitute durch eine europäische Instanz beaufsichtigen kann. Im Übrigen muss man genau justieren, welche Rolle dabei die EZB spielen kann und wie wir das mit der europäischen Bankenaufsicht vereinbaren. Wie wir das zusammen bringen. Wie die Rolle der Eurogruppe dabei ist. Und im Übrigen das Verhältnis dieser europäischen Bankenaufsicht zu den nationalen Bankenaufsichtsbehörden. Das alles muss sorgfältig geklärt werden. Und ich hab gestern gesagt: „Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit!“.

ARD: Was bedeutet der heutige Tag für Länder wie Griechenland?

Schäuble: Für Griechenland gibt es durch die heutige Entscheidung keine Veränderung. Der ESM wird in Kraft treten, aber Griechenland muss die Bedingungen, die es übernommen hat, in seinem zweiten Programm erfüllen. Das ist für Griechenland eine große Herausforderung. Und wir hören ja von den Arbeiten der Troika, das Griechenland jedenfalls noch nicht soweit ist. Das man sagen kann, die Bedingungen seien erfüllt. Und solange die nicht erfüllt sind, kann auch die nächste Tranche nicht ausgezahlt werden.

ARD: Herr Minister herzlichen Dank.

Das Interview führte Ulrich Deppendorf.

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